laut.de-Kritik
Folkfans, Festivalhippies und ein schlanker Black Francis.
Review von Mathias MöllerIm Sommer 2004 habe ich sie gesehen. Obwohl ich vor dem Split der Pixies im Jahr 1993 kein großer Fan der Band war, standen mir auf dem Southside die Nackenhaare wohlig hoch, als Black, Deal, Lovering und Santiago während eines lauen Abends ihre Hits zum Besten gaben. Es als magisch zu beschreiben wäre übertrieben, aber beeindruckend war es schon. Und das ganze Konzert über hat Frank Black kein einziges Wort zum Publikum gesprochen. Die einzige, die zwischen den Songs etwas sagte, war Kim Deal.
Wie anders ist Black doch im selben Jahr in der Heimatstadt der Pixies aufgelegt! Vom ersten Moment des aufgezeichneten Konzerts an scherzt er herum und plaudert, als wäre er auf einer Cocktailparty und nicht auf einer Bühne vor 200 erwartungsfrohen Fans. Nicht nur die überrascht er mit dem Vorschlag, mit "La La Love" eröffnen zu wollen. Drummer Dave Lovering, Sänger des Stücks ist ähnlich überrumpelt, versucht sich aber in zwei Anläufen ganz passabel, schließlich guckt Muttern zu.
Ansonsten wühlen sich die Pixies in nostalgisch anmutender Manier durch die eigene Bandgeschichte. Zwischen den Stücken imitiert Black, der mit der Akustikgitarre vor seinem imposanten Bauch doch sehr drollig aussieht, Bruce Springsteen. Das ist nicht der ernste Mann, den man von seinen Soloplatten her kennt. In der Setlist dieses Abends fehlt eigentlich nichts, außer vielleicht "Here Comes Your Man". Die Fans feiern ohnehin jeden Song wie einen Superhit, die übrigens in tadelloser Qualität aufgezeichnet sind; die Bilder lassen ebenso wenig zu wünschen übrig.
Auffällig ist die Mischung der Konzertgänger. Hier finden sich alte Freaks neben jungen Pixies-Fans, die die Band sicher erst nach deren Split für sich entdeckt haben. Kein Zweifel, der Vierer ist populärer denn je. 2004 ist die Euphorie greifbar, auch wenn sie keinen einzigen neuen Song spielen. Natürlich haben sie es in Boston auch leicht. Ein Heimspiel vor Devotees ist leicht zu spielen, andererseits merkt man auch als Zuschauer vor der Mattscheibe, dass dieser Abend für alle Anwesenden etwas Besonderes gewesen sein muss.
Ungleich schwerer dürften sie es ein Jahr später in Newport, Rhode Island, beim dortigen Folkfestival gehabt haben. 1965 spielte Bob Dylan hier sein erstes elektrisches Set und verließ nach drei Songs entnervt die Bühne, weil die Crowd ihn gnadenlos ausbuhte. Die Pixies befürchten ähnliches für ihren Auftritt vierzig Jahre später, als sie auf der Bühne an der Narragansett Bay ihr erstes Akustik-Set ever spielen. Dieses Konzert, festgehalten auf der DVD "Pixies - Acoustic Live In Newport", die parallel zu dieser DVD erscheint, gehörte sicher zu den unkonventionelleren Gigs des Festivals.
Man merkt den Folkfans und Festivalhippies deutlich ihre Skepsis an, als Black und Konsorten die Bühne betreten, doch auch hier gibt sich die Band harmonisch, als hätte es nie böses Blut zwischen den Mitgliedern gegeben. Black wundert sich über die Teppiche auf der Bühne, und Lovering, der gekleidet ist als würde er einen Tag am Strand verbringen, genießt sichtlich den Sonnenschein. Die Songs der Pixies funktionieren auch unplugged ausnehmend gut, da Stücke wie "Here Comes Your Man" (das sie hier spielen) oder "Where Is My Mind?" für solche Ausflüge ohnehin prädestiniert sind.
Alle tunen ihre Instrumente ein wenig runter, und so werden wir Zeuge einer nicht unbedingt historischen, aber doch sehr stimmungsvollen Session an der Ostküste. Am Ende ist auch das Publikum überzeugt und spendet reichlich Beifall. Das Publikum im Paradise derweil muss nicht überzeugt werden. Hier sind alle vom ersten Ton an hin und weg. Und doch eignet sich auch dieses Konzert, um eventuelle Zweifler auf die Seite der Pixies zu ziehen. Die Band ruht sich nicht auf den Vorschusslorbeeren der Anhänger aus, sondern spielt einen intensiven, ja manchmal sogar leidenschaftlichen Gig, auf dem sie immer wieder zeigen, dass sie es immer noch drauf haben.
Besonders wenn sie es richtig krachen lassen blitzt der alte Genius auf: "Something Against You", "Isla De Encanta" oder "Sad Punk" könnten jederzeit als Lehrstück in Sachen Tightness und Brachialität herhalten. So spielen sich die Kobolde durch ein Set aus Hits und Rariäten, das wirklich jeden zufrieden stellen dürfte. Dass sie sich nach dem abschließenden "Gigantic" nicht lange bitten lassen und direkt noch zwei Zugaben ("Hey", und "Caribou") drauflegen, spricht ebenfalls für die Indie-Helden. Für die Fans gibt es als Bonusmaterial noch Bilder von einem der ersten Auftritte im Herbst 1986. Wahnsinn, wie schlank Black Francis mal war und was für Klamotten Kim Deal trug! Was will man mehr? Ein neues Album vielleicht?
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