laut.de-Kritik
Mondaffen, Trump und Jesus: Pur lassen's krachen.
Review von Franz TannerEin Primat sitzt in einer Mondlandschaft, links über ihm schwebt die Erde, für deren Repräsentation das Grafikerteam der Bietigheim-Bissinger Gruppe Pur einfach einen Globus nahm. Den Affen beeindruckt das aber nicht, er schaut nach rechts oben, er sinniert. Wahrscheinlich über die komischen Zeiten, in denen wir uns befinden, das findet nicht nur der Affe, das findet auch Hartmut Engler. Er hat ein Album darüber geschrieben. Es handelt von Politik und Liebe und vom irdischen Dasein und von geilen Zeiten.
Für den Opener "Beinah" haben Pur eine VI-IV-V-I-Akkordfolge gewählt, ein Klavier spielt sie, man könnte locker den Song "Aisha" drüber singen. Eine The-Edge-eske Delay-Gitarre ertönt, sie ist seit Jungspunden wie Silbermond in der deutschen Popmusik verankert. Dazu ein bisschen Synthesizer, wir sind auf dem Mond, das Abenteuerland ist nicht mehr genug. Hartmut Engler erzählt vom Glück der Liebe und dass er irgendjemanden fast verpasst hätte. "Bei Nacht, fast fast, beinah hätt' ich dich verpasst", singt Engler, ich singe heimlich immer "Aisha, Aisha" drüber.
Danach gehts von der Liebe zur verwirrenden Welt, die sich wahrscheinlich in der Apokalypse befindet. "Bis wir verstehen, dass es nur diese eine, einzige Welt für uns gibt", singt Hartmut Engler. Er singt auch Sachen wie "Jesus Christus, Adolf Hitler, keiner spielt da den Vermittler" und irgendwas von Donald Trump und Willi Brandt. Danach ertönen sehr arge Synth-Fanfaren, darauf ein Gitarrensolo. Irgendwie schon gut.
Dann wieder eine Space-Ballade mit Delay und diesmal auch dramatischen Streichern, der Affe ist wahrscheinlich schon ein wenig gelangweilt. Irgendwas von Träumen und Glauben singt Hartmut. Es könnte jede x-beliebige Chart-Deutschpop-Band sein, die da spielt, das zeigt halt auch, wie nahe Schlager und deutsche Chartsmusik zur Zeit beieinander liegen.
"Licht ins Dunkel" fährt musikalisch dieselbe Schiene, bei "Verboten schön" verzichtet die Band auf die ganzen Effekte und bringt eine nette Akustikballade. "Es ist so verboten schön", singt Hartmut Engler, es könnte der Soundtrack einer Werbung für irgendwas mit Frühstück sein. Dass Pur große Dramatik und großes Gefühl können, zeigt "Alles was noch kommt", das könnte auch der Soundtrack einer Werbung für irgendwas mit Bier sein. Es geht um Triumphe, Freundschaften und ein kühles Pils, die wilden Zeiten. Streicher unterstreichen die Dringlichkeit, der Refrain ist super, da kann man nichts sagen.
Pur können alles, Balladen, Bierwerbung-Songs, sanfte Sozialkritik, Hymnen, Sentimentalitäten. Man kann die Band belächeln, aber sie sind um nichts schlimmer oder uncooler als alles andere, was im Mainstream-Deutschpop so passiert. Eigentlich sind sie um Welten angenehmer als Philipp Poisel und Mark Forster und wie sie alle heißen.
"Wir sind hier noch nicht fertig", singen Pur im Chor bei "Alles Was Noch Kommt", prosten an. Wir nehmen sie beim Wort, auf die nächsten 120 Jahre, Jungs. Anhören muss man sich das nicht. Nichtsdestotrotz: Wir sehen uns im Abenteuerland. Nehmt den Affen mit.
5 Kommentare mit 21 Antworten
Manche Künstler haben hier einfach keine Lobby
und das völlig zu Recht!
Äh, wen genau meint ihr? https://www.laut.de/Pur/Alben/20-Jahre-Ein…
Django, im hellblauen Campdavid-Hoodie liegt zündkerzenschwingend auf dem Ecksofa, die Regler voll aufgedreht. PURe Ekstase, wen scheren da schon schnöde Lobbies
Beiges Polo mit dezentem Aufdruck ("One with the Ocean"), wie oft denn noch?
das ist doch schon ein alter Hut
bliebe die Frage, wo außer bei ihrem Publikum die überhaupt Lobby haben?
Als Bietigheimer OGs sicherlich bei Shindy, Rin und Bausa. Bald gibt's Features!
Lel, Kai Kopp hat doch damals auch das Jimi Blue-Album rezessiert, das war groß
Warum muss man Pur überhaupt noch rezensieren? Jeder weiß doch, was dabei rauskommt und das sicherlich auch völlig zurecht. Man muss aber einschränkend erwähnen, dass es noch grausigere Acts gibt - allen voran Xavidoo oder Scooter!
Wie kannst du es wagen, Scooter zu verreißen, du Unwissender!
immerhin wird mir nicht vorgeworfen, den Reichsbürger-Nölbarden Xavidoo verrissen zu haben :-P
du meinst, man soll als professionelle musikseite vorzensur betreiben und schon mal im vorhinein popkulturell relevante acts cordhuig aussortieren?
ein scherz oder?
Hat Pur noch so eine Wichtigkeit, die über Fernsehgarten und alle paar Jahre mal ne Tour hinausgeht?
Von meiner Seite sind Mainstream-Rezis aber gerne gesehen, ich feier die Verrisse!
Mainstream = Wichtigkeit
Fernsehgarten plus Jahrzehntelang dabei plus bekannt wie ein bunter hund plus kommerzielle relevanz = kann man nicht ernsthaft ignorieren.
außerdem finanzieren diese platten doch die newcomer/avantfardisten, die dann zwar künstlerisch wertvoll sind, aber von höchstens 100 leuten gelesen werden. sachen wie helene, pur etc sind insofern total nützlich.
Das "avandfardisten"-Argument hatte ich nicht mal bedacht. Jut dat et den Anwalt jibt.
D.h., ne Website die nur Indie-Bands wäre nicht professionell?
ach goth, doch nicht so ne scheinfrage....das heißt offebkubndig, dass jeder in seinem segemnt fischt. und wenn eine seite den anspruch hat, alles - auch mainstream - ab zu decken, kann sie doch nicht vorzensur betreiben auf der "dat weiß man ja eh, wa!"-ebene.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Für mich sind die eine One Hit Wonder Band die im Abenteuerland lebt
"Ich lieb' dich" oder "Lena" sind aber auch ziemlich penetrante Ohrwürmer.
Stimmt "Ich lieb dich" hab ich vergessen und "Lena" weiß ich im Moment nicht. Hab ich nicht so im Kopf
"Hör gut zu" und "Indianer" dürfte man auch kennen. Haben also mehr Ohrwürmer als Vincent Gross und Alexander Knappe zusammen auf dem Konto.
Stimmt stimmt stimmt jetzt kommen auch immer mehr Songs in mein Gedächtnis zurück wie z. B. "Indianer" und die waren nicht mal schlecht, zumindest eine Kindheitserinnerung
Ein graues Haaaaar, wieder geht ein Jahr