laut.de-Kritik

Albern, dumm, großartig!

Review von

Wenn es um R.E.M.s Karriere geht, gibt es sicher eine ganze Menge zu erzählen. Ein weiter Weg war es von der Formation der Band im Studentenstädtchen Athens, Georgia im Jahr 1980 bis zu ihrem letzten Studioalbum "Around The Sun" vor zwei Jahren. Die Gruppe um den exzentrischen Sänger Michael Stipe hat sich während der letzten 26 Jahre von einer "Studentenband" zu einer der großen Institutionen im Indierock gewandelt, so sehr, dass manche böse Zunge behauptet, seit dem kommerziellen Erfolg der Alben "Out Of Time" und "Automatic For The People" machten R.E.M. gar keinen Indierock mehr.

Nach zwei Best-Of-Alben beleuchtet "When The Light Is Mine" nun also in DVD-Format die frühen Jahre der Band, die fast schon legendären I.R.S.-Years. Bevor R.E.M. zu Warner wechselte, entstanden Indie-Klassiker wie "(Don't Go Back To) Rockville", "Radio Free Europe", "Finest Worksong", "It's the End of the World as We Know It (And I Feel Fine)" und natürlich ihr größter I.R.S.-Hit "The One I Love".

Wenn R.E.M. also einladen, alle diese Songs noch einmal mit den dazu gehörigen Videos zu genießen, darf man gespannt sein. Doch die DVD-Verpackung lässt erste Ernüchterung eintreten. Ok, der Pappschuber ist nett und das Coverfoto der Band ebenso schlicht wie großartig, aber ein Booklet sucht man vergebens, und auch die Zusammenstellung des Inhalts scheint eher in der Vernunft des kommerziell Notwendigen als in der Liebe zum pophistorischen Detail zu gründen.

Außer den Videos finden sich lediglich ein paar kurze Interviewschnipsel mit Fans von damals und der Band von damals. Eine kurze Session mit akustischen Versionen ist ein netter, wenn auch etwas magerer Bonus. Doch die Videos selbst sind natürlich schon einen Hingucker wert. Los geht es mit dem bisher nicht gezeigten Kurzfilm zu "Wolves, Lower" von der ersten EP "Chronic Town". Gedreht 1982 im Club Lingerie in Hollywood zeigt es eine völlig andere Band als die, die wir heute kennen.

Der erste Hit folgt mit "Radio Free Europe" auf dem Fuße. Das Video hierzu wurde im Mai 1983 im "Paradise Garden" des Künstlers Howard Finster in Summerville, Georgia, gedreht. Für "Talk About The Passion" reisten R.E.M. erstmals zu einem Dreh nach New York, "So. Central Rain (I'm Sorry)" wurde in Charlotte, North Carolina gefilmt. Zwischendurch bekommt man die Band bei Live-Auftritten im britischen Fernsehen zu sehen, mit mehr oder weniger passendem und eher wenig interessiertem Publikum. Und die Haare von Michael Stipe werden länger und länger ...

Das eigentliche Schmankerl beginnt wie alle anderen Videos auch völlig ohne Ankündigung: "Left Of Reckoning" ist ein knapp 20-minütiger Kurzfilm, der von "Harborcoat", "7 Chinese Bros.", "So. Central Rain", "Pretty Persuasion" und "Time After Time", untermalt wird. Abgedreht wurde der Streifen 1984 außerhalb von Gainesville, Georgia, und zeigt die Band in der Natur des Peach States und beim Basteln.

Wenn man die Entwicklung der Band an bestimmten Wendepunkten festmachen möchte, muss man unbedingt "Can't Get There From Here" hinzuzählen. Das Video des für das Œuvre der Gruppe eher unwichtigen Songs zeigt eine erste Hinwendung zu straighteren Popnummern, wie R.E.M. sie mit "Stand" oder "Man On The Moon" später noch öfter vollziehen werden - und Michael Stipe ohne seine langen Haare. Doch die Nummer bleibt eine Eintagsfliege, etwas schillernd in dem grundsätzlich eher lo-fi ausgerichteten Sound von R.E.M.

Es folgen eine Reihe von Videos, die eher Sammlerwert besitzen, als dass sie zur Allgemeinbildung gehören. Dennoch sind die Streifen zu Songs wie "Driver 8" oder "Feeling Gravitys Pull" durchaus sehenswert. Das erste wohl richtig bekannte Video von Stipe, Buck, Mills und Berry ist das zu "The One I Love" aus dem Jahr 1987. Gleichzeitig der ersten große Hit der Band, markiert auch "The One I Love" einen Wendepunkt. Alles, was danach kommt, kennt man als R.E.M.sches Kulturgut.

"It's The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)" hatte es in den Neunzigern sogar noch in einen Blockbuster geschafft und "Finest Worksong" stellte das Regiedebüt von Michael Stipe dar. Die Interviews, die den Videos folgen sind nettes Beiwerk, aber eher für den Devotee als für den R.E.M.-Einsteiger interessant. Auch, weil die Band selbst nichts bahnbrechend neues erzählt. Außer vielleicht der Einschätzung von Peter Buck, der die Bandphilosophie so erklärt: "Wir wollen uns erlauben, albern und dumm zu sein, und vielleicht sind wir dann manchmal auch großartig."

Trackliste

Videos

  1. 1. Wolves, Lower
  2. 2. Radio Free Europe
  3. 3. Talk About The Passion
  4. 4. Radio Free Europe (Live On The Tube)
  5. 5. Talk About The Passion (Live On The Tube)
  6. 6. So. Central Rain (I'm Sorry)
  7. 7. Left Of Reckoning
  8. 8. Pretty Persuasion (Live On The Old Grey Whistle Test)
  9. 9. Can't Get There From Here
  10. 10. Driver 8
  11. 11. Life And How To Live It
  12. 12. Feeling Gravitys Pull
  13. 13. Can't Get There From Here (Live On The Tube)
  14. 14. Fall On Me
  15. 15. Swan Swan H
  16. 16. The One I Love
  17. 17. It's The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)
  18. 18. Finest Worksong

Extras

  1. 19. The Cutting Edge, October 1983
  2. 20. The Cuttin Edge, June 1984
  3. 21. Pageantry (Interview)

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LAUT.DE-PORTRÄT R.E.M.

Als R.E.M. am 5. April 1980 ihr erstes Konzert in der Kirche ihrer Heimatstadt, Athens/Georgia, geben, hört die Band noch auf den Namen Twisted Kites.

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