laut.de-Kritik
Jan Josef Liefers' Stadion-Rock fürs Kaminwerk in Memmingen.
Review von Sven KabelitzIch mag Jan Josef Liefers. Ich mag ihn wirklich. Als Schauspieler. In seiner Rolle als Rudi Wurlitzer in "Knockin' On Heaven's Door" oder als Professor Dr. Karl-Friedrich Boerne im Münsteraner Tatort ist er mir ans Herz gewachsen.
Nebenbei gesellt sich Liefers, ebenso wie sein Kollege Axel Prahl, aber auch zur Riege der singenden Schauspieler und TV-Stars, und dies bereits seit vielen Jahren. Im Gegensatz zu manch anderem Spezi wie Herrn Beckmann und seinem "Bei Allem Sowieso Vielleicht" schmerzt sein Ausflug nicht einmal. An Liefers ist mit Sicherheit kein Meisterbarde verloren gegangen, doch verfügt er über eine durchaus angenehme, flauschige Stimmfarbe.
Womit wir zum Problem auf "Die Freie Stimme Der Schlaflosigkeit" kommen: den Songs. Liefers' Mitmusiker haben bereits mit Adel Tawil, Miss Platnum, Die Sterne, oder Santiano zusammen gearbeitet. Ihre Schachzüge lassen sich all zu leicht durchschauen und bieten nur wenig Variationen. Radio Doria bildet das kuschelige Bindeglied zwischen Rosenstolz, Andreas Bourani und Coldplay. Die Texte lassen immer gerade genug Platz für eigene Interpretationen, damit der Zuhörer sich auch ja in irgendeinem Happen wiederfinden kann. Um es in der Skala des deutschen Films zu beziffern: Bei "Die Freie Stimme Der Schlaflosigkeit" handelt es sich mehr um "Zweiohrküken" als um "Oh Boy".
Die Band, die nach einem Rechtsstreit mit einer kalifornische Death Metal-Gruppe nun nicht mehr Oblivion, sondern Radio Doria heißt, legt mit "Verlorene Kinder" direkt einen pathetischen Start hin. In nur einem einzigen Lied will Liefers am liebsten gleich die ganze Welt umarmen und bietet Stadion-Rock. Fürs Kaminwerk in Memmingen und den Ringlokschuppen in Bielefeld. Im berauschten Stampftakt von "Liebe Ist Nicht Wie Du" verkauft er sich unter Wert als günstig abzugebende Chris Martin-Kopie. "Liebe ist nicht wie du / Ich hab' euch nur verwechselt / Das passiert ab und zu / Uhuhuhuh."
Mit jedem ausgestoßenen "Uh", "Oh" und "Ah" rückt sich "Die Freie Stimme Der Schlaflosigkeit" näher in Richtung "Mylo Xyloto". "Heute ist ein schöner Tag / Obwohl ich mich heut' selbst nicht mag / Ich bin so / Ohoh ohohohohoh", beginnt Liefers in "Sehnsucht Nr. 7". Nach einem verheißungsvollen Start zur Akustik-Klampfe stellt sich das Stück dank munterem Geklatsche, pluckernden Keyboards und debilem "Hey!"-Gekreische als in Rosa gestrichener Tiefpunkt des Albums heraus.
"Helden" hat zum Glück und leider gar nichts mit David Bowie zu tun. Viel mehr versteckt sich hinter dem Titel ein fadenscheiniger Song, der versucht, seine Schwächen unter einem übermütigen Arrangement zu verbergen. "Wir wären unsere Helden gewesen / Seh' dich Nachts noch vor mir stehen / Seh' dich wieder gehen / Sind nie Helden gewesen / Wir haben's nicht versucht / Ich hoff', es geht dir gut."
Die besten Momente auf "Die Freie Stimme Der Schlaflosigkeit" finden sich, sobald Radio Doria sich in kleinen Schritten von ihrem klischeehaften Klangkosmos entfernen. Mit seinem Marschrhythmus hebt sich "Unbeschreiblich" trotz der "Ohohohohoh"-Hintergrundchöre angenehm von den restlichen Stücken ab. Das psychedelische "Mondlied" öffnet das eingefahrene Schema dank "The End"-Gitarren, weiträumigen Gesang und herabtropfenden Keyboards kurzzeitig fast komplett, bis es leider doch noch am vorgestanzten Refrain zerbricht. Wie mag dieser wohl beginnen? Richtig! Und jetzt alle: "Ohohohohoh / Ich zieh' in den Schlaf, dich kriegen sie heut' nicht / Ohohohohoh / Kämpf' gegen Engel / Kämpfen gegen mich."
3 Kommentare
Ey, so schlimm ist der Ringlokschuppen jetzt auch nicht, die spielen da sogar manchmal Queens of the Stone Age!
Schrecklich belanglos. Dafür ist mir die Zeit zu schade.
Gähn, weichgespülter und ideenloser Deutschpop. Genau das Richtige für den ZDF Fernsehgarten.