laut.de-Kritik

Gegen Konsum, Gentechnik und Engstirnigkeit.

Review von

"Smudo von den Fanta 4 findet dieses Album 'Der Hammer!'", schreit mich die beiliegende Presseinformation an. Nicht nur die gewöhnungsbedürftige Syntax stimmt mich umgehend skeptisch. "Der Hammer!"? Das wollen wir erst mal sehen. Immerhin entschied Herr von Vielen den diesjährigen FM4-Protestsong-Contest für sich (bei 350 Konkurrenten eine nicht zu unterschätzende Leistung) und verschaffte sich so bei unseren österreichischen Nachbarn einen erheblichen Bekanntheitsgrad. Auch wenn Auswüchse wie DJ Ötzi andere Vermutungen nahe legen, können sie sich schließlich nicht jedes Mal irren.

Nun, im Fall Rainer von Vielen bewiesen sie einen guten Riecher. Diesem Mann mag man etliches vorwerfen: Einfallslosigkeit, fehlende Originalität oder ein Mangel an musikalischem Wagemut gehören mit Sicherheit nicht dazu. Vollkommen hemmungslos wird in sämtliche Trickkisten gegriffen. Kein Witz: Ein Album, auf dem Duke Ellingtons swingende Orchesterklänge ebenso gesamplet werden wie Obertongesänge von Huun Huur Tu, auf dem straighte Elektrobeats neben Akustikgitarre und einem Schifferklavier landen, und bei dem man sich abwechselnd an Ton Steine Scherben, Becks "Loser" und Funny van Dannen erinnert fühlt, ist mir in der Tat noch nie untergekommen. Absurd? Wohl wahr.

"Ich werde eine Sprache kreieren und damit ihre Matrix zerstören." Zumindest die erste Hälfte dieser Drohung hat Rainer von Vielen bereits wahr gemacht: Der mit reichlich queren Orgeltönen versehene scatartige Gesang in "Poly Ticker" und "Aiaiai" mit nahezu rockigen Gitarrenriffs zwischen dem Sound blinkender Flipperkästen liefern Kostproben. Rundumschläge gegen alle Übel der Welt, Machtstreben, Gentechnik, Konsum und Engstirnigkeit inklusive, gipfeln in "Sandbürger" in dem Ratschlag "Use the media, confuse the media". Zumindest gelingt es mühelos, den zuständigen Musikredakteur zu verwirren: Nach dem ersten Durchlauf steht mir ein vermutlich überdeutlich lesbares "what the fuck?!" auf der Stirn. War das großartig? Großartiger Mist? Oder vielleicht einfach nur "Der Hammer!"?

Keine Ahnung, gleich nochmal. "Innen An Aussen". Grandiose Wortspiele gepaart mit einem Beat, der verteufelt an Chics "Good Times" (und entsprechend an "Rapper's Delight") denken lässt, gestatten nur einen winzigen Moment lang eine Assoziation zu Ottos "Milz an Auge, Milz an Auge"-Geblödel. Der leiernde Gesang in "Nichts Zu Verstehen" wirkt im Kontrast zu der hektischen Aufzählung derer, die bitte "Vorbei Gehen" dürfen (am Arsch, nämlich), noch träger. Textlastige Tracks ("Die Wahrheit Ist Ein Virus", "Bis Wir Wissen Was Geht") stehen neben den Instrumentals "Abgeh-Fakten" und "Tranzroboter": einmal funky groovend, einmal elektronisch, als hätte man ausgiebig "Living On Video" konsumiert. Langweilig ist sicher anders.

Darüber hinaus wird der Tod als sympathischer Geselle mit recht vernünftigen Ansichten vorgestellt: "Leben den Lebenden / Liebe den Liebenden / und ein 'Yeah!' auf die innerlich lebendig gebliebenen / Auf die Soulrider, die ihre Zeit bewusst leben / Jederzeit bereit sind, von sich aus alles zu geben", legt Rainer von Vielen einem werkzeugtechnisch mangelhaft ausgestatteten Sensenmann in den Mund, und - mal ganz ehrlich - dem kann man doch wirklich nur beipflichten.

Trackliste

  1. 1. Poly Ticker
  2. 2. Sandbürger
  3. 3. Innen An Aussen
  4. 4. Nichts Zu Verstehen
  5. 5. Die Wahrheit Ist Ein Virus
  6. 6. Tranzboter
  7. 7. Katz & Mausen
  8. 8. Vorbei Gehen
  9. 9. Leben Den Lebenden
  10. 10. Bis Wir Wissen Was Geht
  11. 11. Abgeh-Fakten
  12. 12. Die Anderen
  13. 13. Aiaiai
  14. 14. Summ, Summ, Summ

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