laut.de-Kritik

Über Social Media-Zombies und klar gegen Rechtsextremismus.

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Als Rainhard Fendrich Anfang 2014 beim "Ball der Union" für Horst Seehofer und Markus Söder auftritt, ahnen Gäste und Gastgeber nicht, dass ihnen 2019 beim Song "Sag Ma Net Es Gibt Kan Teufel" die Häppchen im Hals stecken bleiben. Dieser Akustik-Rock-Song erscheint nun auf "Starkregen" und kritisiert die Zulassung des Unkrautbekämpfungsmittels Glyphosats in der EU - für viele Kritiker ein Beispiel für die Unterwanderung der Politik durch Lobby-Interessen großer Chemiekonzerne.

"Doch nicht nur in der Politik zeigt der Teufel sein Geschick / die Herren vom Chemiekonzern hat er doch genauso gern / besonders mag er Glyphosat / weil das a tolle Wirkung hat / weil ist ein Land erst ganz verdorrt / dann braucht es keinen Völkermord." So sarkastisch zeigt sich zwar nicht das gesamte Album. Bisweilen klare (politische) Statements finden sich aber in sechs der 13 neuen Songs. Gesellschaftskritische Beobachtungen schildert Fendrich in drei weiteren Fällen.

Welche parteipolitische Präferenz der Österreicher hat, erkennt man nicht. Einerseits wirkt es feige, dass der Sänger sich nicht festlegt. Andererseits ist dies auch nicht seine Aufgabe und der dezent grüne Gestus zumindest etwas auffällig. Es ist angenehm, dass der Liedermacher sich weder in missionarischem Eifer verliert noch schäumende Besserwisserei wagt. Denn von Niedecken bis zu Maffay bis Grönemeyer spielen schon genügend Herren in seiner Liga, die uns ihr Weltbild allzu humorlos aufdrücken.

Diese Platte heißt nicht "Starkregen", weil sie wie ein herunter platzendes Gewitter alles zur Seite schwemmen würde, sondern weil das Wort 'Rainhard' in einer Übersetzungs-App zu "Starkregen" wurde. Fendrich fand das lustig. Viele Momente auf dem Album leben von seinem Humor. Von Beobachtungen, die er wahrnimmt und ausformuliert. Sein Österreichisch versteht man mühelos, und die Musik ist so abgemischt, dass die Texte vollständig zur Geltung kommen.

Fendrich amüsiert sich über Details, wird aber dabei niemals banal. Ob er in "Burn Out" das Hinterherrennen hinter Arbeitszielen thematisiert. Ob er in "Social Media Zombie" das Verschmelzen des Menschen mit dem Smartphone aufs Korn nimmt. Ob er in "Abendrot" das fehlende Konzept alternder Gesellschaften für den Umgang mit dementen Senioren hinterfragt oder in "I Steh Gern Im Stau" akribisch zerlegt, womit wir unsere Lebenszeit im Straßenverkehr verplempern.

Fendrichs Sprache ist elegant, nicht gestelzt oder gezwungen, wie man das im Deutschen oft erlebt. Auf der politischen Ebene geht es um Fremdenhass, Rechtsextremismus, Ignoranz, mangelnde Informiertheit, natürliche Ressourcen und die Diktatoren, die unseren Planeten von Washington bis Pjöngjang aufwirbeln. Weitgehend das Übliche, möchte man einwenden. In der Umsetzung glückt dem 64-Jährigen die Abhandlung dieses Spektrums, obwohl er bislang eher für persönliche Themen wie Liebe, Freundschaft und Tod stand und erst 2016 mit dem Album "Schwarzoderweiss" auf die sozialkritische Linie umschwenkte.

Auf das immer wiederkehrende Liebesthema scheint der ehemalige "Herzblatt"-Moderator dieses Mal keine große Lust zu haben. Das einzige pure Liebeslied gerät zum Desaster und zum einzigen schlechten Track. Gegen die folgenden Zeilen auf peinlich pluckerndem Synth-Programming sind Carpendale und Naidoo wahre Poetengötter: "Was ich dir heute sagen will / ist mehr als nur 'Ich liebe dich' / Du bist mein Leben (...) und ich dank dem Geist / wer immer es auch war / der dich zu mir gebracht", trägt Fendrich vor. Dabei konnte man sich in seinen TV-Moderationen einst die Kunst des charmanten Understatement-Kompliments abschauen.

Über die Liebe und "Nur Die Liebe" weiß der geschiedene Wiener natürlich trotzdem einiges. Musikalisch auch nicht gerade ein Höhepunkt des Albums, singt er darin: "Die kann ma leicht zerbrechen / Da reicht a kleine Wut." Ein Balance-Akt zwischen Kitsch und Authentizität. Toll dagegen das folkig-elektronische "I Steh Gern Im Stau": "Anar klopft aufs Dach / Ani schminkt si' nach / Anar bohrt im Ohr / A andrar in der Nas'n / (...) / A andrar schimpft sei' Frau und patzt sie an / I steh gern im Stau / (...) ma' glaubt ma' is' im Film / doch was ma' sicht is wahr / (...) Alle schau'n nach vorn / wie im Stall die Kälber."

Dass er nicht mehr der Jüngste ist, aber auch die Leute seines Alters zu Smartphone-Addicts werden, beschreibt er in "Social Media Zombie" aus dem Blickwinkel eines verheirateten Mannes. "Meine Frau ist etwas säuerlich / sie hätt' am Morgen gern mit mir geratscht / Sie wollt für mich am Morn'g sogar a Brötchen toasten / nur i' bin scho' am Posten (...) Mei linke Hand is a Handy / die rechte is' am Display yay yay / I bin a Social Media Zombie / und starre vor mich hin / Mit mir braucht keiner was reden / Weil ich woanders bin." Auch musikalisch gestaltet sich der Gitarrenpop-Tune mit hauchfeiner Percussion und ein paar Bass-Akzenten sehr straight.

Manches erinnert an Country-Western-Musik in der rockorientierten Art à la John Denver, John Fogerty oder Kevin Costner & Modern West ("Rock'n'Roll Band"). Hier erinnert Fendrich an die Zeit, als er sein Jurastudium abbrach, um sich mit Gelegenheitsjobs den Einstieg in die Entertainment-Welt zu finanzieren.

Ein klagendes Cello verleiht "Hinter'm Tellerrand" einen dunklen Anstrich. Obwohl der Text von jemandem handelt, dessen Leben 'funktioniert' und in geraden Bahnen verläuft, ist genau das auch das Problem: "Liest immer die gleiche Zeitung / weil di' eh nix interessiert / Nur die Lottozahlen und wie's Wetter morgen wird (...) weil dir eh alles egal ist außer's Gulasch in dei'm Topf." Das Lied steigert sich bis zur These, dass in der bürgerlichen Stube mit sich wiederholendem pünktlichem Tagesablauf die große Gefahr des Rechtsextremismus erwachse: Die vielen Personen, die von nichts gewusst haben wollen. Fendrich nennt politisch uninteressierte Menschen "hirnverbrannt" und zwar "mehr" als diejenigen, die draußen rechte Parolen skandieren.

Ein ausformulierter Text zu Antisemitismus findet sich im ruhigen Piano-Song "Mit Der Zeit", einer Rockballade im Stile von Bob Segers "Night Moves". "Grüßt ungestraft 'Heil Hitler' / und fühlt sich gut dabei / Sogar am Herrensitz / hört man so manchen Judenwitz", heißt es, als Gitarre, Klavier und Schlagzeug sich dem Peak nähern. Ein Song, der den besten Momenten von Foreigner in nichts nachsteht, entspinnt sich in "Die Welt Ist Groß". "Der Rest Von Dein' Gewissen" zitiert das Bass-Intro des Soul-Klassikers "Why Can't We Live Together" von Timmy Thomas, bekannt in den Versionen von Sade oder Kyle Eastwood und bei Drake in "Hotline Bling" gesampelt.

Bemerkenswert an "Starkregen" ist, dass Rainhard Fendrich seine Themen nicht platt, vereinfachend oder zynisch vorträgt. Dank seiner ausgeglichenen Stimme verströmen die Songs eine entspannte Gelassenheit.

Trackliste

  1. 1. Burn Out
  2. 2. Heiße Luft
  3. 3. Mein Leben
  4. 4. Social Media Zombie
  5. 5. Rock'n'Roll Band
  6. 6. Mit Der Zeit
  7. 7. Hinter'm Tellerrand
  8. 8. Nur Die Liebe
  9. 9. Sag Ma Net Es Gibt Kan Teufel
  10. 10. Die Welt Ist Groß
  11. 11. I Steh Gern Im Stau
  12. 12. Der Rest Von Dein' Gewissen
  13. 13. Abendrot

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