laut.de-Kritik
Minimale Electrosounds aus Berlin
Review von Daniel StraubDer Name zeigt es schon an: die Mathematiker sind angetreten, um sich als Rechenzentrum (data processing center) unter der Rubrik "Informationswiederbeschaffung" der "audiovisuellen Datenmanipulation" anzunehmen, wie das bandeigene Informationsblatt kühl verheißt. Mit ihrem Debutalbum nun reihen sich Rechenzentrum ein in die hochklassigen Electroreleases aus Deutschland in den vergangenen Monaten.
Viel Lob konnten Isolée für ihr Album "Rest" ernten. Komplexe Soundstrukturen verbunden mit einem starken Hang zur Klangforschung, beeindruckten die Hörer. Derartiges darf man von Rechenzentrum nicht erwarten. Zwar ist auch ihnen eine ausgeprägte Nähe zur Klangforschung zu attestieren, an die Stelle der komplexen Soundverknüpfungen von Rajko Müller aka Isolée tritt bei Rechenzentrum der bewusste Verzicht, die minimale Schlichtheit.
So ist es dann auch nicht die Absicht von Rechenzentrum abwechslungsreiche Stücke zu komponieren. Ein linearer Aufbau der Stücke ist untrügliches Kennzeichen des Rechenzentrumsounds, erklärt Marc Weiser, der für die musikalische Seite von Rechenzentrum verantwortlich zeichnet: "Der strenge mathematische Aufbau sieht vor, alle acht Takte ein neues Element einzuführen. Das hat man auch beim Bildschirmschoner: es passiert eigentlich nichts." Und trotzdem, oder gerade deswegen ist "Bildschirmschoner" mein Lieblingstrack der Berliner Klang- und Bildtüftler. Zu den Höhepunkten von Rechenzentrum zählen weiterhin das verschrobene "Morgen", in dessen Stille immer wieder Geräuschsalven einbrechen und "Camera Silens / SFB 115", dessen Beats eine beinahe meditative Wirkung entfalten und auch auf der Tanzfläche funktionieren.
Wer Rechenzentrum jedoch auf den musikalischen Output allein reduziert, wird dem ambitionierten Kunstprojekt nicht im mindesten gerecht. Lillivän, die zweite Hälfte von Rechenzentrum konzentriert sich in seiner Arbeit ausschließlich auf die visuelle Präsentation von Rechenzentrum.
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