laut.de-Kritik
Der Berliner präsentiert sich musikalisch so vielseitig wie lange nicht.
Review von Joachim GaugerSoso, "Rüm Hart" heißt also "großes Herz", wer hätt's gedacht. Ein solches und auch einen "weiten Horizont" bescheinigt Reinhard Mey sich im Booklet seines neuen Albums. So einer ist natürlich vor der Gefahr der Eitelkeit gefeit, dem schwillt selbst im Blitzlichtgewitter nicht der Kamm und nicht die Brust. Denn der muss sich nur grob befehlen: geh dem Geschmeichel nicht auf den Leim. Dann klappt das schon.
So geht das in einem fort. "Heut häng' ich ab, heut' cool ich down" nimmt sich selbst der gnadenlose Weltenretter und -verbesserer in "Aber Heute" in bemüht coolem Jugendjargon einen Tag frei, nicht ohne zu versprechen, dass er uns morgen "wieder das Rettungsboot" rudert. Sich zu Reinhard Mey zu bekennen war noch nie leicht. Doch wenn der Berliner sich selbst und seine Anliegen so überaus wichtig nimmt schlägt das Pendel der Peinlichkeit allzu weit aus.
Dabei ist "Rüm Hart" insgesamt durchaus ein ordentliches Album, besonders in musikalischer Hinsicht präsentiert sich Mey hier so vielseitig wie lange nicht. Die meisten Stücke sind gut ausgearbeitet und mit Cello, Gitarre und gelegentlich der Violine recht sparsam instrumentiert.
Ja sogar ganz neue Wege geht Reinhard Mey: Der Opener verweist mit Bongo-Klängen und afrikanischen Soul-Chören auf die Herkunft von Mister Hauptfigur. In "Der Kleine Wiesel" nähert sich der Liedermacher dem Sprechgesang und in "Die Blitzlichter Machen Uns Zu Idioten" arbeitet er sogar mit gesampleten Kamera-Geräuschen. Da beweist Mey Mut zum Risiko. Gut, einer mit so "großem Herz" und so "weitem Horizont" kann wahrscheinlich gar nicht anders ...
1 Kommentar
Seit dem Spontan-/Fehlkauf von Meys Neuester "Mr. Lee" höre ich mich nebenbei durch sein Machwerk seit den 80ern. Irgenwie nix anderes los gerade... Hier stechen die CDs Rüm Hart und die zugehörige Live-CD Klaar Kiming m.E. heraus. Sie sind in der Tat abwechslungsreicher in der Musik aber auch in den Themen.