laut.de-Kritik
Wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten.
Review von Hagen WäscheIn einer Zeit, in der Retortenbands und Container-Barden Hochkonjunktur haben wirkt Reinhard Mey fast wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Ohne Playback, dicke Arrangements und Lasershow, nur mit einer Klampfe ausgerüstet wagte sich der nunmehr 58-jährige Liedermacher mal wieder auf Tournee. Und der gute Reinhard hatte noch immer eine Menge zu sagen. Mit dem Live-Doppelalbum "Solo" können nun alle ein Konzert seiner Einhandseglertournee nach Hause ins Wohnzimmer holen.
Der größte Teil der Lieder stammt vom Studiovorgänger "Einhandsegler". Und wie auf dieser Scheibe setzt Reinhard Mey in seinen Konzerten auf eine Mischung aus Betroffenheit und Humor. In "Erbarme dich" greift der Tierschutzaktivist die sinnlosen Schlachtviehtransporte durch halb Europa hart an. Seine Verachtung der Deutschtümelei und korrupter Politiker in unserem Vaterland tut er in "Heimatlos" kund. Und in "Serafina" verpackt er ziemlich intelligent und witzig das oberflächliche Gehabe vieler unserer Mitbürger.
Ja, tiefschürfende Themen, die Mey da aufgreift. Aber so war er schon immer. Neben sozialkritischen Texten und Wortspielereien beherrscht Mey auch deren musikalische Umsetzung. Mit Gespür für die Melodie und virtuosem Gitarrenspiel weiß er zu überzeugen und leistet sich kaum einen Ausrutscher.
Das Album hat allerdings auch einige schwache Stücke, beispielsweise "Ich liebe dich". Das wissen wir doch schon längst, Reinhard! Oft rutscht der Mann mit seinen Stücken in Gefühlsduselei ab, wie auch bei "Lass Liebe auf uns regnen". Und wenn er von den schönen Kindheitserinnerungen an den guten, alten Onkel Doktor Berenthal schwelgt, habe ich das Gefühl, dass mich das überhaupt nicht interessiert. Auch seine bis zu fünf Minuten langen Monologe zwischen den Liedern sprühen nicht so vor Witz, dass man sie mehr als ein Mal anhören möchte.
Diese Scheibe wird seine Käufer eher in der Generation unserer Väter finden und vermutlich keine neuen Verkaufsrekorde brechen. Aber das ist wohl auch nicht im Sinne Reinhard Meys.
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