laut.de-Kritik
Über derart vergeudetes Talent möchte man Tränen weinen.
Review von Dani FrommSelten habe ich mich in den vergangenen Monaten über eine Deutschrap-Veröffentlichung ähnlich geärgert. Reno verfügt nämlich im Grunde über alles, was ein MC braucht, um ein Album vorzulegen, das einen Platz in den Jahres-Top-Ten verdient hätte. Ohne jeden Zweifel kann dieser Knabe rappen, reitet flüssig jeden verfügbaren Beat und präsentiert sich dabei von einer sehr gereiften, unaufgeregten Seite.
Zudem ist er mit einem Gespür für Geschichten, mit Phantasie und Einfühlungsvermögen gesegnet. Anders ließen sich die beiden Übertracks, das aus der Perspektive eines mehr oder weniger unfreiwillig in die Katastrophe geschlitterten Kindesentführers geschilderte "Geiseldrama" und seine Fortsetzung in "Brief Aus Der Leere", nicht erklären.
Phantastisch, wie Produzent Farhot und Reno in Text und Beat kippende Stimmungen einfangen, und Roey Marquis II dann die ganze Unwirklichkeit und Einsamkeit, die aus Renos berührenden Zeilen spricht, in ein Instrumental packen. Meine Nerven! Mehr von diesem Kaliber, und ein Schauer jagte den nächsten den Rücken hinunter.
Nun, um diese Perlen überhaupt erst zu erreichen, ist allerdings Zähigkeit gefragt. Ganz im Ernst: Ich hätte es nie im Leben bis zu Track 18 geschafft, hätte ich mir "Zu Schön Um Wahr Zu Sein" rein zu meinem Privatvergnügen angehört. Neben Top-Produktionen von Crada, den Beathoavenz, Sashliq, Jimmy Ledrac, PhreQuincy und anderen Herren, die ganz offensichtlich ihr Handwerk verstehen, langweilt Reno mit lahmen Representern, unoriginellen Anbagger-Szenarien und egozentrischer Nabelschau. Über derart vergeudetes Talent möchte man zornige Tränen weinen.
"Ich bin komplett anders, ich pass' in keine Schublade." Wenn dem so wäre, dann wünsche ich mir ein wenig mehr als "Ich will dich tanzen seh'n, ich mag's, dich anzuseh'n" - eine Zeile, die übrigens mit "Du bist mein Ghetto-Girl, ich hol' dich aus dem Ghetto, Girl" um den Titel "Unterirdischster Reim des Jahres" wetteifert.
Mal sollen die Hühner High Heels, mal Air Force Ones zu engen Jeans tragen. Überhaupt scheinen Frauen nur dazu da zu sein, um dekorativ zu tanzen und sich dann mit einem "Ist dir kalt? Hier nimm meine Jacke!" abspeisen und nach Hause abschleppen zu lassen. Ein echter Frauentraum, ja.
Von einem, der sich von der Masse abheben möchte, erwarte ich, dass er im Stande ist, von der ewigen Egozentrik abzuweichen und über den eigenen Tellerrand hinauszugucken. "Alles dreht sich nur um mich und um mehr nicht" - das stimmt leider. Klar, jedermanns Baby ist einzigartig und stellt die Welt seiner Eltern komplett auf den Kopf. Die Tracks, in denen der eigene Nachwuchs besungen wird, ähneln sich dafür aus der Sicht der Restwelt wie ein Ei, ein Harris-Part oder ein Neugeborenes dem anderen. Ob sie nun von Sido, der Firma oder eben von Reno ("Nur Für Dich") stammen. Solches interessiert mich ehrlich gesagt in vergleichbarem Ausmaß wie Lobgesänge an die jeweilige Frau Mama - eines der wenigen Klischees, das hier dankenswerterweise ausgelassen wurde.
Ansonsten ist alles dabei. Reno ist der Allerschönste, jedes Chick ist heiß auf ihn, seine "Kosengs" sind die derbsten, Deutschrap ist am Ende, und Reno selbst, versteht sich, der einzig wahre Messias, der das geschundene Genre in den Arsch fickt. Is' klar, das haben wir alle miteinander natürlich noch nie zuvor gehört. "Ich nehme Rap nicht ernst, denn diese Welt ist verkehrt", ein Satz, den man angesichts der ersten Hälfte dieses Longplayers nur unterschreiben möchte.
"Eure Lasten", für den einmal mehr Jimmy Ledrac verantwortlich zeichnet, gerät zwar auf einem hübsch sparsamen Beat ein wenig kitschig, trägt nach den voran gegangenen Großkotzigkeiten und Standards jedoch eine geradezu wohltuende persönliche Note. Dafür scheine ich mich dann in die Abteilung "Dr. Sommer rät" verirrt zu haben: "La Vie Devant Toi", "Trist", zu dem Claud seinen Reglern wunderbar schräge, dunkle Töne entlockt, und "Denk Nach" liefern derart altväterliche Binsenweisheiten und gut gemeinte Ratschläge, dass es kaum auszuhalten ist.
Die Vorstellung, was wäre, hätte man nur noch "Einen Tag Zu Leben", frühstückten die Beginner in "Gustav Gans" wesentlich lebensfroher und individueller ab. Immerhin sorgen der Auftritt des alten Weggefährten Germany und eine bassbetonte Produktion von Kool DJ GQ für eine besondere Note. Trotzdem: Ich hab' schon längst keine Lust mehr - und dann die erwähnten beiden Hämmer. Na, dankeschön! Zumindest bestätigt das den Verdacht, dass Reno könnte, wenn er nur wollte.
Zu guter Letzt versauen in "Gott Sei Dank!" minutenlang vorgetragene Shoutouts, die außer den Genannten wirklich niemanden interessieren dürften, und falls doch, prima im Booklet aufgehoben gewesen wären, den eben noch etwas aufpolierten Gesamteindruck. Respekt und Dankbarkeit in Ehren, aber ohne das ausufernde Ende hätte ich diesen Versuch, noch jeder Widrigkeit einen positiven Aspekt abzugewinnen, ebenfalls auf der Haben-Seite verbucht.
So bleiben viele hervorragende, abwechslungsreiche Beats und zwei ebenso toll konstruierte wie vorgetragene Geschichten. In Anbetracht der Menge an Ausschuss aber: nicht genug.
12 Kommentare
Gute Review und triffts zum Großteil sehr gut.
Auch ich bin sehr enttäuscht von Reno.
Seine Line aus "Kein Wort" vom Melbeatz Album(Rappers DElight) liebe ich und höre ich noch jetzt am liebsten.
Doch das ALbum ist Vergeudung von ihm, ist er doch eg ein ernster Rapper der mehr kann als das Chicksen und Gangsta-Geprolle.
Nur leider...das Album hat nur ein paar wirklich gute Songs und den REst kann man ohen Reue skippen.,
Habe das Album zwar erst ca 4 mal durchgehört aber das weiß ich jetzt schon.
Gruß
edit:"Ich nehme Rap nicht ernst, denn diese Welt ist verkehrt"
Die Line gefällt mir sehr....oh mann dann soll der Sack kein Rap machen.
Also Alda da hör ich lieber Savas oder alte Hasen denn die wissen noch das Rap ernst ist und kein Spiel sondern ein Lebensstil und ihr Leben.
Es sollte nur Rapper der weiß was Rap ist und der Rap lebt und ernst nimmt.
Danke musste raus
edit 2:So eine persönliche Note wie bei Hengzt hätte ich gar nicht erwartet aber so Klischee Rap...öde.
Und auch die SHoutouts am Ende sind langweilig wie Sau, dabei müssen Shoutouts das gar nicht sein, bestes Beispiel das Outro von Lupe Fiasco das ich gerne imemrnoch anhöre auch wenn wirklich kein einziger Reim drin ist.
So das wars
naja, album, nicht gut, nicht schlecht, 2 geht okay. germany's album ist besser.
Tja... Lord Scan steckt aber beide sowas von in die Tasche
@freddy (« kommt noch.
sorry, ich war krankheitsbedingt ausgebremst.
aber ich schau, dass ich's noch vor weihnachten hinkrieg. auch ghostface, bevor jemand fragt. »):
okay, will doch hier niemanden in der sowieso schon sehr stressige weihnachtsvorbereitung noch mehr stressen
Hm, Germany lässt immer noch auf sich warten... Kommt da noch was oder ist das Thema nun schon zu "alt"?
Gruß,
D_U
Is doch da!^^
Ach ja, dieser unterirdischste Reim mit dem Ghetto... der war echt schlecht! xD