laut.de-Kritik
Silbermine für Status Quo-Fans.
Review von Tom KüppersFür das vorletzte Weihnachtsfest hat sich der Rock'n'Roll-Sensemann, das miese Schwein, noch etwas ganz Besonderes aufgehoben. Nachdem er sich, nach dem letzten seiner insgesamt drei Herzinfarkte, schon vom aktiven Bandleben zurückgezogen hatte, verstirbt Status Quo Gitarrist Rick Parfitt am Heiligen Abend 2016 im Alter von 68 Jahren.
Klammheimlich hat der Gitarrist seine verbleibende Zeit allerdings genutzt, um Ideen für ein Soloalbum zu sammeln, das nur noch eine Aufnahmesession von der Komplettierung entfernt war. Die er leider nicht mehr erleben sollte, doch dank des Einsatzes von engen Freunden wie Queen-Gitarrist Brian May und Muse-Basser Chris Wolstenholme, seinem Sohn Rick Parfitt Junior und den Quo-Kollegen 'Rhino' Edwards und Alan Lancaster erscheint "Over And Out" nun als posthumes Denkmal.
Die meisten verbinden das Schaffen von Status Quo mit genau zwei Coverversionen. "Rocking All Over The World" und "In The Army Now". In den siebziger Jahren gehörten die Briten mit ihrem knüppelharten Boogie allerdings zur oft kopierten, aber nie-nie-niemals erreichten Speerspitze der Rockszene. Rückblickend war Parfitt immer der Mann für die etwas härteren Momente, Hymnen wie "Rain", "Whatever You Want" oder der "Mystery Song" gehen auf seine Kappe. Sein Alleingang unterstreicht das deutlich.
"Everybody Knows How To Fly", "Lonesome Road" und "Fight For Every Heartbeat" hätten dem blutleeren Quo-Kanon der letzten Jahre wahrlich gut zu Gesicht gestanden. Der Opener "Twinkletoes" ist hingegen ein fröhlicher Rocker, der von Brian Mays Trademark-Gitarren veredelt wird. In eine ähnliche Richtung geht auch "Long Distance Love". Wenn schon keine Goldgrube, dann zumindest eine Silbermine für Quo-Fans. Die das abschließende "Halloween" übrigens mit "Kenn ich, B-Seite von 1988" kommentieren werden.
Doch wie das bei musikalischen Alleingängen üblich ist, zeigt sich der Protagonist auch gerne von einer anderen Seite. "When I Was Falling In Love" klingt, als hätte sich Roy Orbison in der Studiotür geirrt und wäre bei Smokie gelandet.
"Lock Myself Away" gerät zur schmunzelnden, aber nicht minder gelungenen Fifties-Hommage, komplett mit Doo-Wop-Chören. "Without You" ist ein herzzerreißende Ballade, die nur vom Titeltrack getoppt wird. "Over And Out" hat die Anwesenden bereits auf Parfitts Beerdigung zu Tränen gerührt, ähnlich wie Freddie Mercury mit "Those Were The Days Of Our Lives" nimmt Parfitt hier Abschied und singt am Ende von immer schwächer werdenden Signalen - ein absoluter Gänsehaut-Moment.
Natürlich hört man an der Stimme, dass Parfitt zum Zeitpunkt der Aufnahmen noch nicht wieder zu 100 Prozent auf dem Damm war. Doch genau das verleiht diesem Album einen ganz eigenen Charme. So ist "Over And Out" keine Leichenfledderei, sondern ein aufrichtiger Tribut an einen großen Musiker.
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