laut.de-Kritik
"In Zeiten wie diesen kann ein Lächeln subversiv sein."
Review von Giuliano BenassiWelchen Grund gibt es, nach einer langen und interessanten Karriere ein Album mit Coverversionen herauszubringen? Verpflichtungen mit dem Label? Geldmangel? Schreibblockade? Liebe zu den Stücken? Bei der kleinen, großen Singer/Songwriterin lässt sich zumindest die erste Frage mit "nein" beantworten, da sie seit einigen Jahren ihr eigenes Label betreibt. Und dieses Album durch Crowfunding finanzierte.
Die Auswahl ist ungewöhnlich. Der Opener "Bad Company" stammt von der gleichnamigen Rockband um Paul Rodgers, dem Kumpel von Led Zeppelins Jimmy Page und im neuen Jahrtausend Freddy Mercury-Ersatz bei Queen. Aufgenommen 1973 und somit drei Jahre nach dem zweiten Stück, Elton Johns "My Father's Gun". Americas "Lonely People" entstand 1974 und ist, Überraschung, das "neueste" Stück auf diesem Album.
"Kicks" enthält also Hits aus längst vergangenen Zeiten. Lee Hazlewoods "Houston" ist von 1966, "You're Nobody Til Somebody Loves You" entstand gar 1944, auch wenn es 1960 ein Hit für Dean Martin war. Noch älter ist der Tin Pan Alley-Standard "Nagasaki" von 1928, aus demselben Jahr wie "Die Moritat von Mackie Messer" aus Berthold Brechts "Dreigroschenoper", mit der Bobby Darin 1959 in der englischen Version die Charts eroberte.
Die Steve Miller Band nahm 1968 "Quicksilver Girl" auf, "The End Of The World" war 1962 ein Hit für die Country-Sängerin Skeeter Davis, das abschließende "Cry" 1951 einer für Johnny Ray. Eine weitere Frage, die sich also stellt: Was ist der gemeinsame Nenner?
"Es ist alles Teil dessen, was ich als Heranwachsende gehört habe. Das Radio spielte alles! Die Mittelwelle der 1960er Jahre war die Urzone für unser heutiges Musikleben. Als Kind hörte ich R'n'B, Country, Rock und die anspruchsvollsten Singer/Songwriter der damaligen Zeit. Radio war eine Hochschulausbildung für einen angehenden Musiker. Diese Songs laufen ohne Unterbrechung in meinem inneren Radio. Es war also keine Herausforderung, sie auf einer Platte zusammenzustellen. Wirklich, ich liebe es einfach, zu singen," so Jones.
Die Erklärung klingt überzeugend, die musikalische Umsetzung nicht immer. Besonders bei den ersten zwei zu ernst klingenden Stücken. Mit "Lonely People" und "Houston" meint man jedoch, einer anderen Sängerin zu lauschen, die Stimme klingt plötzlich wieder jugendlich. Die Lieder wirken fröhlich, countryesk und leicht verstrahlt wie zu Jones' besten Zeiten. Die angejazzten "You're Nobody Til Somebody Loves You" und "Nagasaki" fügen sich nahtlos an, "Mack The Knife" klingt mit Hammond-Orgel nostalgisch, "The End Of The World" und "Cry" sorgen für einen romantischen Abschluss.
In Jones' Wahlheimat New Orleans mit lokalen Musikern und ihrem langjährigen Mitstreiter Mike Dillon eingespielt, hat das Album auch eine politische Bedeutung. Wie auch das kämpferisch anmutende Cover der US-Künstlerin Peregrine Honig, das so eine Art jugendliche Superheldin darzustellen scheint.
"In Zeiten wie diesen kann ein Lächeln subversiv sein. Hier ist Rickie Lees musikalisches Lächeln", erklärt Jones' selbst. Dass sie sich dafür in eine entfernte Vergangenheit und ihre Jugend flüchtet, ist vermutlich eher Eskapismus als Lösungsansatz. Nett sind die meisten Interpretationen trotzdem.
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