laut.de-Kritik
Ein intimes Zwiegespräch mit dem Schöpfer.
Review von Alexander CordasSpoiler hängen nicht nur an tiefergelegenen Rostlauben und Möchtegern-Sportwagen dran. Nein, Spoiler ist auch das englische Wort für einen Spielverderber. Dieses Prädikat könnte Lee Cantelon ohne weiteres der Grande Dame des Folks anheften. Schließlich machte sie sich seine Idee zu eigen, die Botschaften Jesu in Töne zu kleiden. Für dessen Werk "The Words" sollte Jones eigentlich nur einen kleinen Part beisteuern. Rickie Lee fand diese Herangehensweise aber so attraktiv, dass sie das Ganze kurzerhand adaptierte und ein komplettes Album einspielte.
Ob Cantelon seiner Freundin Rickie Lee Jones in letzter Konsequenz wirklich böse sein kann? Nach mehreren Durchläufen von "Sermon On Exposition Boulevard" dürften die Zweifel daran recht groß sein. Zu gut hat sie ihre Sache gemacht. Die Beleuchtung der Jesus-Botschaften transformiert sie in einen modernen Kontext und packt diese in zeitgemäße Zusammenhänge, mit denen sich wohl nicht wenige Menschen identifizieren können.
Im hörbar improvisierten "Where I Like It Best" phrasiert sie in einem stark an Lou Reed erinnernden Harmonie- und Rhythmus-Gerüst über den Glauben im Allgemeinen und das Beten im Speziellen. Der Songtitel verrät es. Rickie kann mit organisierten Gebetpartys (am besten noch mit Fernsehpredigern via Satellit in alle Welt ausgestrahlt) absolut nichts anfangen. Vielmehr spricht sie sich für die stille Einkehr und das intime Zwiegespräch mit dem Schöpfer aus.
So intim sie die textliche Seite ausgestaltet, so zurückgenommen und roh - ja - teilweise ungehobelt klingt die instrumentale Seite. Auch Rickies Stimme rumpelt und krächzt in erfrischend heiserer Näselei ihre Graswurzelsicht der christlichen Dinge ins Mikrofon. Das darf an der rechten Stelle schön klingen ("Circles In The Sand", "Falling Up"). Genauso haben jedoch spröde, disharmonische Momente ihren Platz. In seiner Gesamtheit macht genau das die Stärke des Albums aus - die Balance zwischen unangepasster Direktheit und gefälligem Folk-Songwriting.
Den Endpunkt des Spektakels bildet das über acht Minuten lange "I Was There". Ein sparsame Instrumentenbegleitung sowie eine bis zum Anschlag verschnupft klingende Jones offenbaren, worum es beim Albumtitel geht. Abseits von gängigen Schemata führt ein eher schwer verdauliches Lamento aus dem Album heraus. So liegt uns die Message von Rickie Lee Jones locker und leicht quer im Magen. Ein Widerspruch in sich? Genau! Sie bleibt eben die Spielverderberin im positiven Sinne.
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