laut.de-Kritik
Psychedelisch spannender Wüstentrip vom Krautrock-Paten.
Review von Ulf KubankeRoedelius als eine Ikone der elektronischen Musik und des Krautrock zu bezeichnen, wäre fast schon eine Untertreibung. Er ist einer der ganz wenigen Genies, die dieses Genre hervorgebracht hat; wie etwa Michael Rother oder Klaus Schulze. Mit Cluster schrieb er Krautgeschichte; Brian Eno kann man getrost als einen seiner Schüler bezeichnen.
Nun wird der große alte Mann der Avantgarde bald 75 Jahre alt und lässt uns alle endlich an seinen längst vergriffenen zahlreichen Solowerken teilhaben. Das Solo-Debüt "Durch Die Wüste" veranschaulicht mit bunten Klängen, weshalb Roedelius neben Schulze als ein Pate des psychedelischen Rock und Ambient gilt.
Herrlich ironisch geht die Expedition mit "Am Rockzipfel" los. Ungewohnt rockig und sehr rhythmisch verpasst der Song jeder Hoffnung auf rein elektronisch wabernde Soundscapes die dröhnend gitarrenlastige Absage. Ein angenehmes - leicht plickerndes - Velvet Underground-Feeling lässt sich nicht unterdrücken. Tolles Lied!
Das fast 15-minütige "Durch Die Wüste" setzt auf eine Mischung aus organischen und synthetischen Effekten, die dem Hörer - gleich einem akustischen Brennglas - eine gefühlte Hitze in den Schädel spült, deren Trockenheit nur noch den eigenen Schweiß als letzte Flüssigkeit übrig lässt. Der "Regenmacher" geleitet uns gleichfalls in eine ausgedörrte und abgezehrte Klanglandschaft, deren rotsandige Ödnis dennoch einen faszinierend hypnotischen Rhythmus bereit hält.
Angedeutete Ausflüge in ost-asiatische Folklore ("Mr. Livingstone") runden die Exotik und Ausgefallenheit der verwendeten Strukturen angenehm ab. Ohnehin: Roedelius' Entscheidung, sich als Solist von den schon etwas starr gewordenen Formen der rein elektronischen Musik ab- und einer neuen Musiksprache zuzuwenden, ist das eigentlich Experimentelle und Befreiende an dem Album.
Man sollte jedoch ein wenig Zeit und Geduld mitbringen. Die üppige Schönheit dieses nur scheinbar karg wüstenartigen Albums erfordert schon mehrere bewusste Durchläufe. Zerklüftet und fragmentarisch muten die Tracks zunächst an; fast skizzenhaft. Wer jedoch am Ball bleibt, erlangt schlussendlich die audiophile Erkenntnis, dass die scheinbar spartanischen Liedzeichnungen in Wahrheit überbordend farbenfrohe Soundgemälde sind.
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