laut.de-Kritik
Ein Album für Fans, die sich gern verhöhnen lassen.
Review von Dominik Lippe"Die steigen auf jeden Trend ein. Einer dumm, einer doof, ey, was soll das für 'ne Band sein?", zelebrieren Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin ihre Silberhochzeit als SDP. "Ja, wir sind absolut talentfrei. 25 Jahre Mucke, aber kein Arsch kennt ein'." In Affenkostümen wie die Bloodhound Gang stolpert "Talentfrei" erneut durch altbekannte Torheiten. Es ist die Art selbstironische Bescheidenheit, die in Wahrheit pure Eitelkeit offenbart. Dazu klingen SDP wie eine Indie-Rock-Band, die frisch von der High School unter einen Major-Vertrag geschlüpft ist, obwohl es eigentlich maximal für die Semesterparty reicht.
Ständig geht es zurück in die Lehranstalt. Mal langweilen sie sich mit ihren kreischenden Klassenkameraden in der Schule ("Tanz Aus Der Reihe!"), mal schwänzen sie selbige ("Eigentlich Wollte Er Nie Ein Liebeslied Schreiben"). "Wir sagen 'sorry', statt um Erlaubnis zu bitten", pflegen sie in "Die Schönsten Tage" ihr aufgesetztes Rebellentum. An der Seite des fehlplatzierten Clueso wollen SDP Party, Aufbruch und jugendlichen Leichtsinn versprühen, dabei könnte der angeschlagerte Song ebenso auf dem Sommerfest des Seniorenheims am Ende der Straße laufen.
Beatzarre Renommee zum Trotz klingen viele Songs nach einem Worst-of an Produktionsentscheidungen. Ein Tröt-Instrumental und eine singende Kinderschar begleiten "Scheiße Baut Sich Nicht Von Alleine". "Viva La Dealer" geht als Luis Fonsi für die Vorschule durch, "Wir Ticken Nicht Ganz Sauber" als sedierte The Offspring mit Maulkorb. Und wie lässt sich Purs "Abenteuerland" noch unerquicklicher gestalten? SDP verwandeln es kurzerhand in Eurodance mit einer Quietschstimmen-Hook und lassen Finch einen übellaunigen Motz-Part darüber rotzen.
Besonders schmerzhaft ist es, Sido in diesem Zirkus-Umfeld zu hören. "Ne Leiche" widmet sich mit Elon-Musk-Humor der Frage, ob ein lästiger Leichnam nun besser zerhäckselt oder gegessen werden sollte. "Mama Hat Gesagt" richtet sich vordergründig an Jugendliche, setzt mit Text und Aufmachung aber zur Fremdscham-Umklammerung an, der sich nur jene entziehen können, die auch ironiefrei die Schlagerpiloten herunterbekommen. Und obwohl "Die Nacht Von Freitag Auf Montag" musikalisch im Kinderprogramm landet, zählte sie der frühere Masken-Rapper gar zu seinen "Kronjuwelen".
Für "Das Lied" lässt sich sogar Bela B. einspannen. So lange die Bezahlung stimmt, nimmt er auch an diesem selbstironischen Trauerspiel teil, mit dem sich SDP über das eigene Werk beömmeln. "Die Melodie ist voll der Schrott. Doch nach einmal hören, kriegst du sie nie mehr aus dem Kopf", erkennen sie selbst, "Das ist der Refrain, ich singe irgendeinen Dreck. Doch das ist egal, denn keiner achtet auf den Text." Am Ende freuen sie sich noch diebisch über den obligatorischen Kinderchor. Gelackmeiert sind hingegen die Fans, die sich für ihre eigene Bräsigkeit noch verhöhnen lassen müssen.
Songs wie "Das Lied" veranschaulichen, dass SDP ganz ähnlich funktioniert wie die "Deadpool"-Reihe. Erst kosten sie das eigene Überlegenheitsgefühl aus, indem sie sich naseweis über Stil, Inhalte und Ästhetik lustig machen. Im nächsten Moment soll das Publikum ihnen eben jene Mittel ohne jede Spöttelei abkaufen. Mit bescheidener Instrumentierung lechzen sie in klischeetriefenden Schmachtfetzen wie "Unikat", "Millionen Liebeslieder", "Ich Muss Immer An Dich Denken" oder "Wie Viele Lieder Muss Ich Noch Schreiben?" darum, in ihrem Liebesschmerz ernst genommen zu werden.
Und was soll das Gesülze überhaupt? "Frauen kommen und gehen", nur auf "Echte Freunde" lässt sich bauen, berichten sie mit Prinz Pi. Verständnislos blicken sie auf die Unterschiede zwischen "Männer Und Frauen". Das schwache Geschlecht habe sie zwar kultiviert, skizzieren sie in "Als Ich Mädchen Noch Scheiße Fand", doch wie schön einfach war die Zeit, als SPD sie noch vom Dreirad treten konnten. "Die Rache der Frauen, du kannst keiner vertrauen!", warnen sie eindringlich ihre Geschlechtsgenossen, wie Thomas Gottschalk vor einem weiblich besetzten Fahrstuhl. Egal, "Frauen sind was für Schwuchteln!"
Inmitten dieses Humbugs warten maximal eine Handvoll ausgefallener Ideen. "Der Anfang Anzufangen" klingt, als versuche das Duo, mit einem Dudelsack einen Seeed-Song aufzunehmen. "Ich Bin Ein(e) Biene, Grashüpfer" beantwortet die Frage, wie Franz Kafkas "Die Verwandlung" als Comedy-Rap klänge. Und durch "Zappeln" oder "Kein Partyhit" aus ihrem Album "Räuberpistolen" taumeln sie mit anarchischem Spaß wie Rap-sozialisierte Helge Schneiders. Doch diese freiheitlichen Stücke haben allesamt 20 Jahre auf dem Buckel und gehen in den zweieinhalb Stunden Best-of hoffnungslos unter.
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