laut.de-Kritik
Sounds aus dem Rachen, die man sich nicht erklären kann.
Review von Alexander EngelenScratchs "The Embodiment Of Instrumentation" gilt als Referenzwerk der Post-Achtziger-Hype Beatbox-Zeit. Zumindest was die Akzeptanz der Rap-Heads angeht, die die Disziplin Beatboxing eher als Gimmick belächeln und darin nicht einen fundamentalen Bestandteil des Gesamtphänomens Hip Hop sehen. Das Werk auf dem Jahr 2002 war einerseits verspielt genug, um explizit als Beatbox-Kunstwerk durchzugehen, aber dennoch den viel trivialeren Hörbarkeits-Anspruch nicht zu vernachlässigen. Sieben Jahre später sieht die Sache auf "Loss 4 Wordz" ein wenig anders aus.
Aus Scratch, dem Entertainer, ist Scratch, der Produzent geworden. Nach wie vor ist dabei die Kehle seine MPC oder vielmehr sein Plattenspieler, dennoch sollen nicht seine Fähigkeiten der Oralinstrumentierung im Vordergrund stehen, sondern das Gesamtprodukt. Ein mundgemachtes Producer-Album sozusagen. Angesichts interessant gemischter Kollaborateure wie Musiq, Estelle, Daniel Bedingfield, Kanye West, Talib Kweli oder M.O.P. durchaus vielversprechend. Andererseits aber ernüchternd, weil sich Scratch als einer der führenden Beatboxer damit zugesteht, dass sich die oft vergessene Hip Hop-Säule nicht emanzipiert, sondern lediglich als im Hintergrund laufendes Beiwerk funktioniert.
So beatboxt es auf "Loss 4 Wordz" in erster Linie auf Basis der Drums und, natürlich, der Scratches. Hie und da kommen zwar Sounds aus dem Rachen, die man sich nicht erklären kann, aber etliche Melodien und Harmonien sind schließlich doch nicht mundgemacht. Deswegen ist "Loss 4 Wordz" auch eher ein durchschnittliches Produzenten-Album, das dennoch seine großen Momente hat.
Gleich zu Beginn auf "Let's Go", auf dem die The Roots-Affiliation von Scratch durch den treibenden Beat deutlich zu Tragen kommt. Der Track hätte wunderbar auch auf "The Tipping Point" gepasst, durch die Kollaboration mit dem ewigen Philly-Talent Peedi Peedi sogar auf "Rising Down". Noch schwermütiger schleicht sich das Orchester-besetzte "Too Late" in die Moll-Tonlagen, während Damon Albarn theatralisch die Tristesse beträllert und Talib Kweli punktgenau auf 10 Bars die Herzschmerz-Selbsthilfegruppe aus ihrem Loch holen will.
Den Rest der namhaften Gastauftritte versauen jedoch nahe an der Schmerzgrenze liegende Hooklines, die man von einem Ehrenmitglied der legendären Roots-Crew nicht erwartet hätte. Im Zusammenspiel mit Kanye West und Langzeit-Kumpel Consequence etwa in Form von "
Eingebettet sind die Refrain-Fratzen in Neo-Soul der herkömmlichsten Sorte. Musiq säuselt sich mitsamt Gespielin in Gitarren-Töne und Bettlaken, das längst verglühte Pop-Sternchen Daniel Bedingfield macht unterlegt von luftigen Bläsern auf Falsett-freien Timberlake, und Jonas Myrin verabschiedet sich auf Weltschmerz-Piano in den Keller der Schmalz-Fabriken von Pophausen.
Das klingt bei dem unbekannten Jeymes Samuel und gezupfter Gitarre schon weit besser. Leider gerät auch hier Scratchs Mundmaschine vollständig in den Hintergrund. Klar klingt sein subliminal hörbarer Rachen-Bariton organisch, aber das tut es auch, wenn ich auf einen Frosch trete und daraus eine Bassline baue.
Noch keine Kommentare