laut.de-Kritik

Für die Berliner Bohème und ihren elektroakustischen Salon.

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Dass Seefeel einst die erste Gitarrenband bei Warp Records waren, ist heute nur noch eine kleine pophistorische Fußnote. In ihrer kurzen aber regen Schaffensphase zwischen 1993 und 1996 galt die Band aus London noch als absolut visionär, hatte sie doch den bereits extrem verzerrten, britischen Shoegazing-Sound via ätherischer Sampling-Techniken an die Rave-Kultur herangeführt. Und das mit dem Selbstverständnis einer Rockband.

Seefeel hatten damit wie etwa auch Tortoise, Aphex Twin oder Autechre an einer systematischen Dekonstruktion und Reorganisation der Kategorie Pop mitgewirkt, die allgemeingültige Hörgewohnheiten mit einem Höchstmaß an Experimenterfreude und Technophilie konfrontierte. Dabei war diese neue Anything Goes-Musik natürlich auch ein Nebenprodukt der letzten fetten Jahre einer oligopolistischen Musikindustrie gewesen.

Bis 1997 hatten Seefeel ihre immer abstrakter werdende Soundforschung vorwärtsgetrieben, nach ihrer schmerzlosen Auflösung erhob sich mit dem Postrock immerhin ein neues Genre mit dem Versprechen aus der Asche, die erkämpften Freiheiten zwischen den alten Genre-Grenzen nicht sofort wieder einem strengeren Hit-Formalismus zu opfern.

Nun sind Seefeel mit neuem Album zurück. Die beiden Urmitglieder Mark Clifford und Sarah Peacock werden darauf von Ex-Boredoms-Drummers Iida Kazuhisa und Bassist Shigeru Ishiharas unterstützt. Mit seinen schweren Bass-Schlagzeug-Grooves, den dubbigen Beats und dichten Feedback-Texturen ist es ein schwer manövrierbares Hybrid-Album zwischen distorsivem Rock und Electronica, dass an die Diskographie der Band anschließt, dabei aber nicht aus der Zeit fällt.

Die erhabenen Dream-Pop-Harmonien schimmern dabei gerade in den konkreteren Tracks des Albums durch. Im sinnbildlich fiependen "Dead Guitars" und im wabernden "Faults" kann man die Gesangsschleifen von Peacock heraushören, gefühlt unter tonnenweise Elektroschrott begraben.

"Making" und "Airless" sind zwei weitere grollende Starkstrom-Tracks, leben vom verhuschten Momentum Peacocks hypnotischer Stimme, dem sie eine übermächtige und alles zersetzende Experimentierwut entgegensetzen. Portishead haben es auf ihrem letzten Album bei einigen Tracks genauso radikal auf die Spitze getrieben, ohne dabei aber Beth Gibbons herunterzuregeln.

So eine Haltung wird schnell als innovativ beklatscht, dürfte auf so manchen Postrock-Fan aber auch schwer enervierend wirken. Wem mag man es verdenken, klingt doch so manche Soundspur auf "Seefeel" wie eine permanent vor- und zurückgespulte Musikkassette. So etwas ist dann vielleicht eher ein Fall für die alte Warp-Elite sowie die Berliner Bohème und ihren Elektroakustischen Salon.

Trackliste

  1. 1. O-on one
  2. 2. Dead guitars
  3. 3. Step up
  4. 4. Faults
  5. 5. Gzaug
  6. 6. Rip-run
  7. 7. Making
  8. 8. Step down
  9. 9. Airless
  10. 10. Aug30
  11. 11. Sway

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LAUT.DE-PORTRÄT Seefeel

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