laut.de-Kritik

Ein fast zu perfekter Genremix.

Review von

Sie hatten das schon einmal probiert! Nachdem Lil Nas X mit "Old Town Road" einen Megahype ausgelöst hat, gab es ein paar Versuche, so etwas Ähnliches noch einmal zu produzieren. Das Marketingpotential von so einem Genre-Crossover! Am nächsten ist das Country-Establishment dieser Fantasie damals mit einem Dude namens Bianco Brown, der mit "The Git Up" einen kleinen Hit, aber sich dann auch verlaufen hatte.

Wieso also jetzt und wieso der hier? "Where I've Been Isn't Where I'm Going" von Shaboozey erfüllt nun fünf Jahre später die Fantasie in Form eines ebenso Genre-fluiden Dudes. Dafür hat es drei Dinge gebraucht: Einmal eine Szene, in der Country das dominierende popkulturelle Ding ist. Dann ein Beyoncé-Cosign. Und dann die Tatsache, dass Shaboozey tatsächlich ein recht talentierter Dude ist. Hat sich so viel Umstand für den Outlaw-Country-Hip Hop-Balladier gelohnt? Ich würde sagen: Grundsätzlich ja.

Erstmal müssen wir natürlich einwerfen, dass technisch sogar eine vierte Bedingung im Spiel war: Ein TikTok-Hit, direkt auf den Beyoncé-Cosign obendrauf. Und an irgendeinem Punkt ist es nicht mehr Glück, sondern können, denn "Tipsy (A Bar Song)" zeichnet präzise nach, wie Shaboozey etwas organisch entstehen oder zumindest wirken lässt, das sonst eine fast zu geniale Kalkulation gewesen wäre. J-Kwons legendär dämlichen Ringtone-Rap-Klassiker "Tipsy" als herzige Dive Bar-Hymne neu auflegen? Das ist smart. Es trifft den Country-Trend, den Nostalgie-Trend und wichtiger: Er macht es wirklich, wirklich süß. Shaboozey kann eine Wärme in seiner Stimme ausstrahlen, die einlädt, Teil dieser Party zu sein.

Aber wer ist er abseits dieses Hits? "Where I've Been Isn't Where I'm Going" portraitiert ihn in seiner großen Stärke und seiner großen Schwäche: Er ist ein sehr geschmackvoller Typ. Das war er auch, bevor die Hype-Aufwinde ihn hochgezogen haben. Da hat er fast ein bisschen zu sehr damit angegeben, wie gut seine Stimme ist, wie viel Soul er mitbringt, hat bei A Color Show performt – solche Sachen, eben.

Und in den besten Momenten diesen Tapes muss man ihm die Kudos einfach geben: "Horses & Hellcats" nimmt diese traditionalistische Country-Instrumentierung auf und klingt klasse. "Let It Burn" könnte man auch einem Chris Stapleton geben, da stimmt das Songwriting-Handwerk ebenfalls. Interessant sind aber auch die Momente, in denen er Genre-mäßig schwankt: "Drink Don't Need No Mix" ist der am ehesten am "Old Town Road" erinnernde Track mit dem Traploop und dem bockstarken Feature von BigXThaPlug. Seine Rachefantasie an die toxische Ex "Annabelle" könnte Struktur- und sogar Sound-mäßig ein Discotrack sein, in dem man alle Synths mit Banjos ersetzt hat. Sogar eine Vocoder-Bridge gibt es hier.

Trotzdem geht dann ein paar Mal die Ernsthaftigkeit einen Hauch zu dröge mit ihm durch. Warum gerade die wirklich nicht sehr beeindruckende Noah Cyrus als Duett-Partnerin für den Radiofiller "My Fault" herhalten muss, erklärt sich nicht. "East Of The Massanutten" hätte nicht ganz so langsam sein müssen. Wenn er dann im gefühlsduseligen Outro "Finally Over" darüber schwelgt, wie Leute an virale Momente kommen, bricht das auch ein bisschen die Outlaw Country-Immersion.

Vielleicht merkt man es der Review heraus, aber ich war dem Projekt Shaboozey ein bisschen grundskeptisch. Auf eine ganz komische Art ist er der amerikanische 1986zig: Ein Artist, der etwas zu genau verschiedene trendy Richtungen auf einmal zusammenfädelt und der in seiner Aufmachung ein bisschen zu poliert wirkt. Aber Gott sei Dank hat Shaboozey deutlich mehr Seele und deutlich mehr Puls. Klar, ein paar Bremser sind dabei und für eine halbe Stunde Laufzeit kommt das nicht optimal, aber "Where I've Been Isn't Where I'm Going" kommt oft sehr gut in die Gänge und macht mit seiner Wärme und seinem freudigen Genre-Mix definitiv Spaß.

Trackliste

  1. 1. Horses & Hellcats
  2. 2. A Bar Song (Tipsy)
  3. 3. Last Of My Kind (feat. Paul Cauthen)
  4. 4. Anabelle
  5. 5. East Of The Massanutten
  6. 6. Highway
  7. 7. Let It Burn
  8. 8. My Fault (feat. Noah Cyrus)
  9. 9. Vegas
  10. 10. Drink Don't Need No Mix (feat. BigXThaPlug)
  11. 11. Steal Her From Me
  12. 12. Finally Over

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