laut.de-Kritik

Nicht abschalten - trotz des Titels!

Review von

Wertvolle Dinge verstecken sich oft hinter einem Siegel. So schürt die rote Banderole, mit der der schicke Digipack von "All We Need Is Silence" kommt, schon hohe Erwartungen. Um es vorweg zu nehmen: die Erwartungen werden auf jeden Fall erfüllt. Auch wenn es erst einmal recht unspektakulär beginnt. "The Beginning", zuerst sehr zurückhaltend, entwickelt sich erst nach der verstörenden Ankündigung "This is the beginning of the end" und der Aufforderung "Let's make war instead of love" zum elegischen Opener.

Der Auftakt zu einem wirklichen großen Album, das locker einen Wachstums-Nachweis der Band vom Vorgänger "Nothing Will Go Wrong" zum Jetzt bringt. Nach und nach schrauben sich Slut in die Höhe, stacheln sich immer mehr an, über das noch verhaltene "Lost Emotion" zum - für Slut-Verhältnisse - schon ziemlich rockenden "Neverending". Die großartige Floskel-Kombination "This life's a broken Highway, I never did it my way" deutet den grundtraurigen Tenor der Platte an. Ein langes Klagelied über enttäuschte Affektionen und nagende Selbstzweifel. Herbstdepression, hier ist dein Soundtrack!

Das effektvolle Laut-Leise-Spiel beherrschen Slut fast schon in Perfektion, "Staggered And Torn" und das zwischendurch fast lautlose "Wasted" nehmen die Ohren mit auf Stimmungs-Achterbahnfahrt. Der Titeltrack, ein Stampfer, der sofort alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist definitiv der Chef auf der Platte, alles arbeitet darauf hin, die Songs danach lassen die aufgestaute, und in der Textzeile "If I had the decision I would kill all musicians" abgebaute Spannung abklingen.

Was nicht heißt, dass die Platte nach "All We Need Is Silence" abgestellt werden kann. Der Bogen der mitunter schwierigen Zwischenmenschlichkeiten zieht sich von "Why Pourqoui (I Think I Like You)", das mit "I think I like you, but not enough" unaufgelöst bleibt, zu "Homesick", wo es gleich zu Beginn heißt: "You say you like me with an empty kind of face". Verzwickte Befindlichkeiten. Musikalisch wie textlich wirkt die fünfte Scheibe der Ingolstädter wie aus einem Guss, trotzdem bleibt jeder Song eigenständig bedeutsam.

Das Ende bildet das zarte "Get Lost Get Lost" (dessen Gesangslinie mich ein wenig an "Freude Schöner Götterfunken" erinnert - nennt mich bekloppt!), ein Indiepop-Brillant vor dem Herrn. Rundum ein gelungenes Album, auf dem sich Slut reif und stark präsentieren und sich in der nationalen Indie-Liga weit oben festsetzen. Eigentlich könnten sie als nächstes die Welt erobern!

Trackliste

  1. 1. The Beginning
  2. 2. Lost Emotion
  3. 3. Neverending
  4. 4. Staggered And Torn
  5. 5. All We Need Is Silence
  6. 6. Wasted
  7. 7. Why Pourquoi (I Think I Like You)
  8. 8. Homesick
  9. 9. Cosmopolite
  10. 10. Get Lost Get Lost

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16 Kommentare

  • Vor 20 Jahren

    ich bin leider nicht fähig, selbst eine ordentliche review zu schreiben, dazu sind meine höreindrücke auch noch zu frisch, daher erst einmal die frage: wer hat sie, wie gefällt sie?
    ich selbst bin ziemlich begeistert. die platte ist alles in allem sehr konsequent, aggressiver und intensiver als der vorgänger 'nothing will go wrong'. sie rumpelt, sie schreit auf, sie verzweifelt. trotzdem spielen die herren relativ geradeaus, schnörkellos, ohne elektronik-plingplong (nicht abwertend gemeint) wie auf den vergangenen alben. vielmehr kommt es mir stellenweise eher wie eine kleine brücke in richtung debütalbum vor.
    mich persönlich freut es dann auch noch, dass endlich mal ein satz, den ich schon fast zwei jahre an meiner wand stehen habe, in einem songtext erwähnung findet ( pourquoi ne pouvons-nous jamais être aimés?). na ja. alles in allem ist vielleicht kein über-song wie 'global cut' drauf. aber ich bin sehr begeistert. und freue mich auf den oktober, wenn ich sie live erleben darf. :)
    ach ja, favorit auf der platte: wasted

  • Vor 20 Jahren

    also, die neue lp hab ich noch nicht, aber lookbook ist für mich ein einsames meisterwerk...war lookbook das zweite album?

  • Vor 20 Jahren

    lookbook war das dritte album

    zur platte:

    mir gehts aehnlich, heute morgen erst bekommen (deswegen dieses sehr inhaltslose posting). aber scheint wirklich wieder n hammer zu sein.

    die single, neverending, staggered and torn, wasted (auch mein favorit, dass gekreische so schoen klingen kann. ;) )-einfach wunderbar

  • Vor 20 Jahren

    Zitat (« Vapour Trail schrieb:
    ...nun klingt es so verdammt geplant verplant. warum klingen thalers songs eigentlich alle so verdammt überproduziert? bis auf notwist hat doch jede band aus thalers klauen diesen makel... »):

    100 Punkte! Ich geb Dir in diesem Punkt völlig Recht. Die Sachen von Thaler klingen enorm glattgebügelt, das fällt bei der neuen Slut, Conic usw. immer wieder auf. Das traurige ist, daß durch diese "Schnipplerei" die Authenzität der Musik völlig verloren geht... ich meine, man höre sich z.B. SmackSmash von den Beatsteaks an. Alles live eingespielt und bewusst wurden "Überschneidungen" der einzelnen Instrumente in Kauf genommen... was soll ich sagen, so klingt echte Musik! Auch wenn die neue Slut von den Protagonisten selbst eingespielt wurde, so hört man hier doch deutlich diesen gewollten Perfektionissmus, diese Fehlerkorrekturen in Form von Schnitten usw. Passt was nicht, wirds eben geschnitten. Dadurch geht meiner Meinung nach die Seele der Musik verloren.

    Deinen Worten ist demnach nichts hinzuzufügen, ausser vielleicht, daß Du Dich nicht korrigieren mußt! Das ist überproduziert, da hat Thaler ordentlich zugelangt...

    By the way, soll dies keine Kritik an der Musik darstellen. Die Scheibe ist gut, hab sie mir nun schon einige Male durchgehört und es sind einige klasse Songs drauf. Trotz allem bleibt der "Makel" daß es keinen Makel gibt...

    Cheers,

    MuckiP

  • Vor 20 Jahren

    hätten anscheinend ne bonus cd mit den original demos beilegen sollen damit alle zufrieden sind :)

  • Vor 20 Jahren

    ich weis gar nich was ihr habt, ich find sie geil.
    Mag sein daß ein bisschen viel dran rumgeschraubt wurde, aber mir taugt der Sound der Platte viel eher als Lookbook.
    Das wird imo sowieso überschätzt, ich finds zuviel konzept.

    Mein favorit: Homesick, Diese Gitarrenlick!!