laut.de-Kritik
Fanservice par excellence.
Review von Hannes HußNeues Snow Patrol-Material war nicht unbedingt geplant. Allerdings hatte auch niemand geplant das Jahr größtenteils in den eigenen vier Wänden zu verbringen, weil draußen eine globale Pandemie tobte. Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Dachten sich auch Gary Lightbody und Mitstreiter. An einen normalen Bandalltag war nicht zu denken, alles gesellschaftliche Leben spielte sich ja in den sozialen Netzwerken ab. Dort begann die Band, wöchentliche Songwriting-Sessions abzuhalten. Getreu dem Namen waren das keine bloßen Ersatzauftritte für Instagram-Follower. Nein, die Songwriting Sessions wurden ihrem Namen gerecht.
Vor vier- bis fünftausend Fans schrieb Lightbody neue Songs und bat die Zuschauer*innen um deren Mithilfe. Jede und jeder durfte Vorschläge einbringen, ob Akkordfolge oder Textschnipsel. Zwölf neue Songs sind so entstanden, fünf liegen nun in der Form der "The Fireside Sessions" vor. Fanservice par excellence, sozusagen.
Danach klingt das Ergebnis auch. Die gesamte EP bewegt sich im gewohnten Snow Patrol-Poprock-Rahmen, angereichert mit dezenten Anstrichen bekannter Genres. Die Vorabsingle "Reaching Out To You" erinnert mit ihrem dominanten Basslauf ein bisschen sehr nach dem Sommersmasher "Feel It Still", ohne dessen Groove jemals ganz zu erreichen. Stattdessen bleibt der Song allzeit gefällig, leistet sich keine großen Ausbrüche in Hymnengefilde und scheint damit zufrieden zu sein. In Lightbodys Lyrics schimmert währenddessen immer wieder die wohlige Nostalgie der Prä-Corona-Zeit durch.
Dieser Blick in den wärmenden Rückspiegel durchzieht das Album. Die Texte zeichnen allesamt ein Bild von einer simpleren, unbeschwerten Vergangenheit. Auf "Dance With Me" legt hierfür ein stoisches 2/4-Schlagzeug die Grundlage, während sich eine Folkpop-Gitarre wie eine wärmende Decke über den Song legt und Lightbody vertraute, simple Bilder malt. Alles schon längst gehört, dennoch wohltuend. Musik als Comfort Food.
Kein Moment der EP stört auch nur im Geringsten an seiner Oberfläche. Die Gitarren sind mal leicht rockig ("On The Edge Of All This"), mal folkiger ("Light Years"), die Schlagzeug-Arbeit bleibt unauffällig und immer wieder reichern Backgroundchöre oder ein dezentes Klavier das Klangbild an. Vor allem die Backgroundchöre markieren dabei nicht zwingend einen Zugewinn. Auf "Light Years" stoßen sie den prinzipiell akzeptablen Song in klebrige Kitschgefilde. "On The Edge Of All This" wirkt zerrissen zwischen sanftem Folk und angestrengt emotionalen Unterstüzungsvocals aus dem Hintergrund.
Die Late-Britpop Sensibilitäten à la Travis dienen als Leitfaden, auch wenn das Potenzial zu weltumarmenden Hymnen fehlt. Stattdessen bieten "The Fireside Sessions" selbstgenügsame Songs ohne großen Wiedererkennungs-, dafür mit hohem Wohlfühlfaktor. "Dance With Me" wird wohl nicht für dramatische Filmküsse im Regen verwendet, lieber für regnerische Nachmittage auf dem Sofa im Wollpulli. Dafür gibt es 2020 eh viel mehr Gelegenheit, also alles gut.
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