laut.de-Kritik
Fein und trotzig - die Schweizerin trifft mitten ins Herz.
Review von Andreas BättigEs war auf dem Openair St.Gallen, als eine junge Schweizerin einfach mal schnell Hunderte Menschen still erstarren ließ. Sie war zuvor bereits seit Monaten durch die Medienlandschaft gegeistert, eine junge Frau, die aus dem Nichts ganz nach oben kam.
Da stand sie, stellte sich in charmantem Berndeutsch vor. Und man begriff auf einmal, weshalb Sophie Hunger womöglich über die Schweizer Landesgrenzen hinaus für Furore sorgt: Sie trägt diese typisch Schweizerische Zurückhaltung in sich, frisst diese aber eben nicht in sich hinein, sondern lässt sie raus, besingt sie oder klagt sie an.
Auf "1983" tut sie das gleich in vier Sprachen - Englisch, Französisch, Deutsch und Schweizerdeutsch. Wobei letztere leider nur im Lied "D Red" einen Platz findet. Gleichzeitig ist man Hunger in keinem Song so nah wie hier.
Der trifft mitten ins Herz. Diese feine und zugleich leicht trotzige Stimme, das Piano, das sich sanft dahinschleppt - man muss das Stück im Loop hören. "E ha gar nüd z säge hie drom frag jetzt gar nömm nach", singt Sophie - ein Satz, der bestimmt nicht für ihr komplettes Album gilt.
1983, das Jahr, in dem Hunger geboren wurde, steht für eine Spannung. "Es liegt etwas Aggressives im Album, das sich nicht nur auf mich bezieht sondern auch nach außen", sagt Hunger selbst. Mal geschieht dies jazzig (der Titeltrack), mal smooth poppig ("Lovesong To Everyone"), mal nach wundervoller Singer/Songwriter-Manier ("Travelogue") oder auch experimentierfreudig, fast ausschließlich mit Beat und Stimme ("Approximately Gone").
Eigentlich scheint das alles fast zu viel. 14 Lieder, vier Sprachen, Gitarren, Piano, Jazz, Pop - alles hat sie drauf gepackt. Aber das passt: Sie ist diese junge Frau, die mit sich selbst ringt und dieses Ringen in allen möglichen Varianten auszudrücken vermag.
"1983, wo sind deine Stimmen, wo sind deine Ausnahmen?", fragt Hunger. Sie ist es selbst. Beides.
2 Kommentare
Klingt ja unglaublich. Nun hab ich das Gefühl, mir diese Platte UNBEDINGT anhören zu müssen.
Diese Frau ist echt der Hammer. Beide Alben laufen bei mir rund um die Uhr. Innovativ, abwechslungsreich, ein wenig verrückt ... kein Mainstream, und trotzdem wunderbar anzuhören.