laut.de-Kritik
Noch packender, dramatischer und intensiver.
Review von Ben SchiwekSprints wurden letztes Jahr unter den vielen neuen Post-Punk-Bands als eine vielversprechende gehypt. Manche feierten ihr Debütalbum sehr, andere - zum Beispiel wir - hörten etwas ungeformtes Material, das aber Potenzial berge. Fair, denn komplett eigenständig klangen Sprints noch nicht. Ein Jahr später legen sie mit "All That Is Now" nach – und sie legen wirklich nach. Die Band sucht die Steigerung: Noch packenderes Drama, noch intensivere Wut, noch schneidendere Gitarren. Lauter und leiser.
Wenn hier etwas explodiert, dann richtig. Aber auch die Melodien kommen zum Zuge: "Better" funktioniert so gut, weil da ein sehr melodischer, fast positiv klingender Song in einem Sumpf aus Post-Punk-Noise steckt. Da vieles hier so auf die Fresse geht, ist das eine angenehme Abwechslung. Von ganz leise bis ganz laut: Spannung aufbauen können Sprints mittlerweile echt gut.
Die ersten drei Tracks fühlen sich beispielsweise an, als würden sie alle auf der gleichen Stimmung aufbauen und sich kontinuierlich steigern: "Abandon" ist noch das ruhige, ungewisse Intro; "To The Bone" füllt die Leere mit Spannung und bricht auch mal aus und "Descartes" rennt dann nur noch rasend herum. Generell fließen die 38 Minuten des Albums sehr gut. Das lange, Flamenco-inspirierte "Desire" bereitet der Vorstellung ein geradezu filmisches Ende.
Die härtere Transformation, die Sprints fahren, unterstützt die Produktion erheblich: Metallisch und kalt klingt alles. In den ruhigen Momenten hallen die Elemente im Raum zitternd wider, was die unheimliche Atmosphäre ermöglicht. Und wenn’s knallt, ergießen sich die Gitarren als dicke Wand oder rasierende Leads hinab. Die Gitarrenmelodie in "Need" klingt ein wenig verstimmt und passt damit genau in die wilde, verspielte Energie, von der der Song lebt. Und auch die Synths in "Coming Alive" kommen erstmal überraschend, aber verleihen ihm als vorletzten Song nochmal eine emotionalere Note.
Woher rühren die ausgeprägteren Emotionen des Albums? Nun, die Band hatte viele Gefühle präsent, aus denen sie Inspiration ziehen konnte: persönliche Neuanfänge einerseits, eine erschreckende Aussicht auf die Welt andererseits. Sängerin Karla Chubb erzählt: "Ich hatte eine große Trennung von meinem Partner, mit dem ich acht Jahre lang zusammen war; Colm verließ die Band; wir hatten uns wirklich zu professionellen Musiker*innen entwickelt und ich stand am Anfang einer neuen Beziehung. Aber wenn man dann nach draußen schaut, ist es, als wäre die Welt noch nie so hässlich gewesen." Diese Energie und Wut haben Sprints in eine Platte gesteckt, die selbstbewusster und kompromissloser klingt. Eine Platte, die in der Post-Punk-Bubble vielleicht kein Rad neu erfindet, aber in seiner Wucht einfach durchgehend mitreißt.
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