laut.de-Kritik
Uramerikanischer Poprock aus Nordfriesland.
Review von Gordon BuschleDiese Plattenkritik geht an alle Einsamen und Zerbrochenen da draußen. Sie geht raus an alle Engel, die vom Himmel fallen (mittlerweile weiß ich auch warum). Sie geht raus an Deinen Bruder, an Deine Mutter, sie geht raus an Deine Schwester und sie geht vor allem an Dich.
Sie geht raus an die deutsche Band Stanfour für die englische Vorlage dieser Einleitung, sowie an alle Rundfunkredakteure und Hörer in den Sendegebieten, dafür dass Ihr, nicht zuletzt bedingt durch vernachlässigte Englischkenntnisse, textlichen Exkrementen weiterhin Einzug in die deutschen Wohn- und Kinderzimmer gewährt habt.
Erklärung für alle, die es geschafft haben, diese schmierfinkende Einleitung zu lesen: Das war nicht die Begrüßung des Festakts zum 75. Jubiläum des örtlichen Turnvereins, denn dazu hätten in der Aufzählung noch die Herren Landrat und Kreissparkassenfinanzvorstand (jeweils mit Gattin) gefehlt.
Nein, dies war die Übersetzung des ersten Verses und der Strophe der aktuellen Stanfour-Single "For All Lovers". Da sich am weiteren textlichen Verlauf aber nicht mehr viel ändert, möchte ich auf weitere Übersetzungen verzichten. Genau wie Sie habe ich beim ersten Hören vermutet, dass es sich bei Stanfour um eine amerikanische Band handelt.
Zu charakteristisch sind die melancholischen Gitarren mit diesem typischen Choruseffekt und die zweite Gesangsstimme, die im Vers – eigentlich unharmonisch – eine Quarte über der Melodie liegt, ganz so, wie man es derzeit aus Amerika kennt. Und fast wären Sie damit auch richtig gelegen. Denn das Songwriting betrieben die Bandmitglieder Alex und Konstantin Rethwisch überwiegend in Los Angeles. Trotzdem kommt die Band eigentlich von der Nordseeinsel Föhr.
Hört man einmal nicht auf die Texte – die meisten tun das ohnehin nicht – findet man auf dem Album durchaus einige interessante Tracks. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle "How Does It Feel", ein Song mit Four-to-the-floor-Charakter. Die Bassdrum trommelt, im Vers auf einem E-Drumset, später auf einem Akustikdrumset, begleitet von einer E-Gitarre mit Phaser-Effekt. Dazu gibt es Gesang im Patrick Nuo-Style.
Dann ist da noch "In Your Arms", eine starke Ballade, die auf das altbewährte Hitrezept setzt: gefühlvoller Gesang mit dezenter Begleitung im Vers. Im Refrain werden die Frauenherzen dann mit der sanften Kopfstimme des Sängers weichgemacht - und anschließend durch den überraschenden Einsatz verzerrter E-Gitarren, Orchester und einem bereits hoch emotionalisierten Schlagzeuger qualvoll zerschmettert.
Als Dolchstoß folgt im zweiten Teil des Refrains der zweistimmige Gesang in der Bruststimme, dessen Höhe offensichtlich nur unter großen (Herz-)Schmerzen der Sänger zu erreichen ist. Die Band gibt alles für ihr Publikum, das rührt selbst den Mann am Mischpult. Ähnlich verhält es sich bei "Desperate", ein Titel der auch problemlos aufs aktuelle Album der Backstreet Boys, für die Stanfour derzeit als Support tätig sind, gepasst hätte.
All diese Songs haben Hitcharakter und man kann kaum glauben, dass die Band bis auf wenige Songs ohne Co-Writer auskommt. Der nächste Radiohit wartet schon. Einziger Kritikpunkt an dieser Stelle: Die Titel grenzen sich zu wenig voneinander ab. Zwar lassen sich die Songs im Einzelnen nett anhören, auf Albumlänge wird es aber doch arg monoton.
Bleibt die offene Frage, warum die Band keinen Schlagzeuger und keinen Basser hat, sondern diese für Liveauftritte immer einkaufen muss. Weil sich, haha, die Band sonst StanSix nennen müsste und nicht mehr StanFour?
2 Kommentare
Nette Kritik, auch wenn ich das Resumee am Ende nicht ganz verstehe. Erst wird die Platte schlecht gemacht und dann doch so was? Naja okay
Der Name kommt übrigens woanders her "Den Namen hat die Band während ihrer Zeit in den USA erhalten. Die vier holten sich immer in einem Vorfahrrestaurant Kaffee und da die Bedienung den Namen Konstantin nicht aussprechen konnte sagte sie immer: "Stan, four." Dadurch wurde die Band zu Stanfour." (Wikipedia ist ja so toll )
Naja die einzelnen Songs sind wirklich gut anzuhören (bis auf ein paar Ausnahmen), aber sie ähneln sich wirklich zu stark und heben sich von einander nicht genug ab. Eigentlich schade, aber auch so ist das Album gut - auch dafür, dass sie das fast alleine produziert haben und fast ohne Ghostwriter auskamen. Anhören schadet sicher nicht
Kaufen aber.