laut.de-Kritik
Melancholie aus Deutschland von internationalem Format.
Review von Rinko HeidrichEs gibt eine sehr konsensfähige deutsche Popmusik. Viel Feuerwerk, Tanzen und Lyrics, die man nicht mal auf Bürotassen als Sinnsprüche vergeudet hätte. Die andere Seite besetzten eine lange Zeit klischeehafte Gothic-Bands. Sehr schön, dass nun auch wieder vermehrt junge Künstler die Schwermut in Musik umsetzen. Hier entsteht im Verborgenen die Musik von Betterov, Jungstötter und natürlich auch Die Heiterkeit.
Deren Name bleibt natürlich ironisch, weil sie eher in der Tradition von Wave oder Goth-Bands der 80er stehen, aber gerade der Gesang von Stella Sommer fügte dem noch eine ganz eigene Note hinzu. Das Mysteriöse und nicht Greifbare nahm sie auch auf ihr Solo-Album rüber, ein bisschen wie Nico von The Velvet Underground. Auf den Pressefotos sieht man sie selten lächelnd und eher scheu. Die Musik spricht für sie und nicht der ständige Zwang, sich der Öffentlichkeit preiszugeben. Fast wie aus vordigitalen Zeiten, als Künstler*innen noch geheimnisvoll wirkten und nicht um mediale Dauerpräsenz buhlten. Eine Entscheidung für die Kunst und wahrscheinlich gegen kommerziellen Erfolg.
Dabei ist die Musik von Stella Sommer auch keine unhörbare Art-Musik, die bewusst auf Unhörbarkeit setzt. Schon der sehr angenehme Einstieg zu "Silence Wore A Silver Coat" könnte genauso gut von Lana Del Rey und ihrer traurigen Spätsommer-Melancholie-Alben stammen. Den Geist der Sechziger atmet auch "Under The Weeping Mulberry Tree". Die Sonne schimmert immerhin durch dieses nebelverhangene Lied, das leise The Carpenters und The Walkers Brothers haucht. Wer diese Ära mag, schließt das Album direkt in sein schwarzes Herz. Songs wie "The Sun Ain't Gonna Shine Anymore" trugen damals schon lyrische Stacheln, die so gar nicht zu den Blumenkindern und ihrer Glücks-Sehnsucht passten. In dieser Tradition überreicht auch Stella einen Strauß dunkler Rosen, die man Johannes Oerding einmal quer über das Gesicht ziehen möchte.
"In My Darkness" lässt bereits erahnen, wie wenig die Hamburger Sängerin und solche singenden Beamten mit Nebenberuf Musik eint. Nein, alles ist hier anders. Mit jedem Song, der einfach das Niveau konstant hält oder gar steigert, wächst das Erstaunen über so großartige Musik aus Deutschland. "Winter Queen (In Summer)": Dass so ein Song bei dreistelligen Aufrufen ein Nischendasein auf Youtube fristet, lässt einen nur noch verstört zurück. Wäre Stella eine Amerikanerin, könnte oder müsste das längst ein weltweites Thema sein. Irgendjemand müsste das mal Jack Antonoff stecken und damit eine große Karriere starten, die aus dem kulturellen Pop-Standort Deutschland hinaus führt. Schwachpunkte erkennt man kaum. Die Länge eines Doppel-Albums vielleicht, aber wenn jeder Song so viel Substanz bietet, dürfen es auch eben 24 davon sein. Stella Sommer glaubt anscheinend noch an das Album-Format und dessen kunstvolle Sogwirkung auf konzentrierte Hörer.
"The Rain's Hair" ist eine schöne Verneigung vor dem Klassiker "Downtown" von Petula Clark. Der wurde auch im verstörenden Horrorfilm "Last Night in Soho" verwendet, der Swingin' London und die Jetztzeit verbindet. Das passt gut zu der seltsamen Mischung von "Silence Wore A Silver Coat", das gegenläufige Stimmungen wie beschwingten Pop und introspektive Texte über den fragilen Seelenzustand unverkrampft miteinander verwebt.
Die Heiterkeit sangen einst "Dunkelheit wird niemals Licht". Vielleicht bleibt es innen dunkel, aber die Klangfarbe lässt sich nicht mehr mit schwarz beschreiben. Da ist doch viel Mischfarbe im Graubereich vorhanden, fast schon Dusty Springfield-Farbtupfer in “Towards The Wasteland” oder John Denver-"Sunshine On My Shoulders"-Sehnsucht. "All Saints and Souls" klingt, als ob Manchesters verlorener Sohn Ian Curtis doch noch eine Rettung seiner Seele in einer anderen Realität fand. Vielleicht sitzt er nun dort, lächelt und hört einfach still diesem erstaunlichen Album zu.
7 Kommentare mit 11 Antworten
Urks... Der Rezension gebe ich 2/5. Immerhin nicht ganz so viele Stilblüten, dafür aber mit strohdoofem Grundtenor. Was spielts z.B. für eine Rolle, wie ein Künstler auf Pressefotos guckt?
Ich erkenne die Rolle der Pressefotos im Zusammenhang mit ihrer Musik in der Rezension nicht. Und seien wir ehrlich: Stilblüten finden sich ebenso oft in Rezensionen wie in Kommentaren hier. Insofern alles OK.
"Was spielts z.B. für eine Rolle, wie ein Künstler auf Pressefotos guckt?"
Die Frage lässt sich einfach beantworten, indem man einfach den gesamten Absatz durchliest.
Ragism muss halt pro gelesenem Satz drei eigene schreiben und mehrfach lesen.
War ein Beispiel für eher ödes Geschwafle in der Rezession, Kollegen.
Ist eigentlich egal wie die Künstler auf Pressefotos kucken in erster Linie geht es um die Musik ????.
Warum der Punkt?
Ich kann das Album weiter Empfehlen von Stella Sommer der Leadsängerin der Band Die Heiterkeit.
♥
Muss ich mal reinhören, die Heiterkeit waren für mich eine der besten Entdeckungen des letzten Jahres (danke wolki_).
Wolkers ♥
Die Musik und die Songs an sich sind toll, aber dieses gestelzte Englisch klingt leider furchtbar. Was für ein Akzent soll das sein? Ounder the weeping Müllbe'y Tree... Saurrou had a brouther... Schreckliche Betonung.
Gefällt mir tatsächlich sehr gut. Schöne Stimme, noch schönere Stimmung und ein toller Song nach dem anderen. Zwar über die stolze Anzahl 24(!) ein bisschen viel Ähnlichkeit für meinen Geschmack dabei, aber solange das so klingt, nimmt man das doch gerne mit.
Kenne bisher ehrlich gesagt weder die Heiterkeit-Sachen noch die Vorgänger unter diesem Alias, aber das ist dann wohl mal wieder was zum Nachholen. Diese Platte sehe ich jedenfalls eher am oberen Ende des 4er Spektrums.
Hey kubi, mit diesem Werk werde ich nicht so recht warm, evtl liegt es daran, dass es Englisch ist, aber Pop&Tod I+II von Die Heiterkeit ist für mich eine klare 5/5 mit Tendenz nach oben. Hör mal rein!
Alright CAPS, will do! Dunkelheit wird niemals ist schonmal geil, danke für den Tipp! Und bei Gelegenheit schönen Gruß an den alten Funki, wenn er mit sich mit dem oben genannten wolki die Netzpräsenz teilt Er soll selbige gern mal wieder zurück in die hiesigen Spalten ausweiten…