laut.de-Kritik
Belastender hat Deutschrap lange nicht geklungen.
Review von Yannik GölzWenn ich damals als Kind etwas Dummes gemacht habe, weil ich's bei einem Klassenkameraden gesehen hab, hat meine Oma immer gefragt, ob ich auch aus dem Fenster springen würde, wenn dieser Klassenkamerad mir das vormachen würde. Peripher relevant dazu: Würde irgendein Amirapper aus dem Fenster springen, würde T-Low ohne einen zweiten Gedanken hinterher und seine letzten Worte wären, während im das Blut am zermatschten Gesichtstattoo herunterfließt: "in Deutschland ... raffen sie die ... Wave noch nicht". Sein unerklärlich erfolgreiches neues Tape "Everythings Purple" kopiert Amirap mit algorithmischer Stupidität. Dass es keine einzige originelle Idee, Soundentscheidung oder auch nur Vokabel besitzt, ist nicht sein Makel, sondern sein einziges Verkaufsargument.
"Hier geht es nur um den Film, den du lebst oder nicht", rappt er in der Hook des Intros "40 Ox" und macht ziemlich unmissverständlich seinen Zugang zur Rapmusik klar: Da drüben gibt es diese Amis, die irgendwie leben, was sie rappen, aber hier geht es eigentlich nur darum, mit der größtmöglichen Hingabe Cosplay zu betreiben. Deswegen sein affiger Lil Xan-Gedächtnis-Karnevalslook, deshalb die Heerscharen an komischen Amirap-Phrasen, die nicht nur abgedroschen ohne Ende klingen, sondern aus seinem Mund auch noch nicht den kleinsten Sinn ergeben.
Richtig schmerzhaft wird es auf Songs wie "Bankaccount", wenn er in der Hook die Formulierung "mein Baby" ein halbes Dutzend mal auf sich selbst reimt. Preisfrage: Warum sagt dieser Typ "mein Baby"?
A: Weil das ein natürlicher Teil seines Vokabulars ist, den er auch so definitiv ungezwungen verwenden würde!
B: Weil Amirapper das so sagen.
Sicherlich gibt es Deutsche, die diese Formulierung so rocken könnten. Aber T-Low verwendet es mit einer Natürlichkeit, als würde die Tagesschau-Moderatorin das Jugendwort des Jahres verkünden.
Und es kommt die ganze Zeit zu diesen Momenten, die so transparent machen, wie bis zur Absurdität aufgesetzt dieser Akt ist. Auf "Moet" rappt er, er spritze teuren Alkohol auf den Arsch einer Frau, aber sagt es mit einem Stimmchen, ein halbes Jahr hinter dem Stimmbruch, das klarmacht, dass er vermutlich seinen eigenen Video-Frauen im Gespräch nicht in die Augen schauen könnte. Auch sein immer wieder glorifizierter Drogenkonsum: Es soll ja jeder machen, was er will, aber außer, dass er darauf beharrt, wirklich, wirklich (!) Drogen zu nehmen, wird aus dieser Musik nicht ersichtlich, warum eigentlich. Er verkörpert weder hedonistischen Spaß am Rausch noch die Trap-typische Self-Medication-Melancholie. Und selbst wenn er alle Drogen der Welt nehmen würde, klingt er auf diesem Tape wie Jeremias aus der 8b, der dich überzeugen will, dass er definitiv weiß, wie Koks aussieht.
Auch, wenn es ein kleines Detail ist, aber der absurdeste Moment dieses Kalibers entsteht auf "Gott Hat's So Gewollt". Seine neue Uhr nämlich habe er nach dem Willen Gottes bekommen. Und ich glaube ja wirklich noch eher, dass dieser Dude ein vom Straßenleben gehärteter Veteran ist, dem die Frauen in Scharen nachlaufen, als dass er gläubig ist. Warum würde ein postpubertäres Punk-Kid sich bitteschön auf Gott beziehen? Dreimal dürft ihr raten. Mancher Ami sagt so etwas halt auch. Warum würde dieser Rap-Papagei auch nur zwei Sekunden darüber nachdenken, ob die Phrasen für ihn Sinn ergeben?
T-Low scheint so militant egal, was er da eigentlich für Worthülsen zusammenklaut, dass man sich im Namen der beklauten Amirapper beleidigt fühlen möchte, denn scheinbar misst er ihren Worten nicht den kleinsten, erbärmlichen Fetzen Bedeutung zu. T-Low gehört zur besten Vanilla Ice-Schule, für die Rap einfach irgendein Modegespinst ist, das eh keinen Kontext und keine Kultur besitzen kann, also warum es nicht einfach Wort um Wort abpausen, who even cares. Es geht ja eh nur darum, die Klassenkameraden damit zu beeindrucken, den Film wirklich wirklich zu fahren. Dass er dabei eigentlich eine ganz okaye Stimme mitbringt und gerade in Tandem mit seinen etwas überzeugenderen Kollegen Sevi Rin und Heinie Nüchtern solide klingende Tracks zusammenbauen kann, geht spätestens auf Albumlänge im Gesamteindruck der Lächerlichkeit unter. Die raue Stimme, die ihm seine besten Songs wie "Crashen" beschert hat, wirkt mangels echtem Inhalt zunehmend wie ein Gimmick, die Produktion von Leuten wie Tapekid klingt okay, aber gesichtslos.
"Keine Frage, warum ich das hier verdient habe", rappt T-Low auf "Moet". Und Unsicherheiten erkennt man meistens daran, dass Leute Fragen beantworten, die eigentlich so keiner gestellt hat. Aber natürlich weiß T-Low insgeheim selber, dass seine ganze Karriere bis hierhin Blödsinn ist, der auf zwei oder drei griffigen Hooks und der unermesslichen Gunst der Streaming-Algorithmen fußt. Im Grunde macht er den selben Tagtraum-Rap wie ihn vor einem halben Jahrzehnt LGoony oder Yung Hurn angefangen haben, nur ohne die Reflektiertheit, den Charme und die Persönlichkeit. Ein paar brauchbare Hooks können demnach nur so lang über die exorbitant klaffende Seelenlosigkeit dieses völlig nutzlosen Zeitgeist-Junkfoods hinwegtäuschen. Dieses Album ist Ami-Rap durch 2005-Google-Translate gejagt. Dieses Album ist sich zu Fasching einen Sombrero kaufen und "Arriba" schreien. Dieses Album ist drei Animes schauen und dann jeden Asiaten im Bus mit "Konichiwa-San" anreden. Belastender hat Deutschrap lange nicht geklungen.
10 Kommentare mit 2 Antworten
Find diese grauenhafte Stimme ehrlich gesagt viel schlimmer, als es jede mangelnde Originalität sein könnte. Folter für die Ohren
Da höre ich lieber MOK.
Noch nie was von dem Vogel gehört, ich bin aber auch alt. Aber laut.de ist, glaube ich, wirklich die letzte Plattform in D, die Scheiße noch beim Namen nennt und stabile Verrisse ableifert. Props dafür, ich baue mein Yannik-Fanboitum weiter aus.
Gerade Yannik jubelpersert doch oft die letzte Scheiße. Das hier konnte selbst er aber nicht mehr als gut rechtfertigen, was wahrlich was heißen will.
Joa, muss ja nicht alles gut finden, was er gut findet. Aber er legt in seinen ziemlich Reviews ziemlich genau, unterhaltsam und gewitzt dar, warum er was gut und scheiße findet. Und das will ich halt von einem Rezensenten. Das persern, was ich persere, kann ich ja selber, da brauch ich keinen Yannik für.
1/5 natürlich. Kannte tlow durch Zufall schon seit 2019 und hab beiläufig seinen Aufstieg mitverfolgt. Für mich klingt er immer noch wie ein Kollege der Tracks macht paar Treffer hat aber einfach nicht genug Potenzial, Originalität und das gewisse etwas und das unterstreicht dieses „Album" perfekt.
find ich super unfair die review
Müll