laut.de-Kritik
An Tele kommt man nicht mehr vorbei.
Review von Eberhard DoblerTaube Ohren scheren gerne über einen Kamm: Schlager. Sicher, beim ein oder anderen Part, gerade in Verbindung mit entsprechenden Textpassagen, lässt sich eine gewisse harmonische Nähe Teles zum Genre nicht bestreiten. Die Miesmacher übersehen dabei das abwechslungsreiche Songwriting, das ausgefeilte Spiel der Bandmitglieder und die Bildergewalt ihres Frontmanns.
Francesco Wilking geht als einer der besten deutschen Texter durch. Auf jeden Fall beobachtet er sein Innenleben genauso exakt, wie er die Umwelt beschreibt. Wilking erzählt prägnante Geschichten (das superbe "Fieber") mit oft unkonventioneller, manchmal überraschend einfacher Wortwahl ("Hans" oder die Single "Mario"). Dieser Mann, denkt man sich, kennt keine deutschen Wörter, die uncool sind. Starke Metaphern statt leere Worthülsen, in diesen Kontext lässt sich auch mal ein "Nanana" einbauen. Zuweilen möchte man gar das Urteil "Lyriker" abgeben. Prägnante Stimme und tolle Melodien tun ihr Übriges - der perfekte Frontmann.
Das fiel auch dem Goethe-Institut auf, das Tele 2006 als Kulturbotschafter um die halben Welt auf Reisen schickte. Und wirklich: Selten so ein unkonventionelles Liebeslied gehört wie "Ende Der Besuchszeit" vom Vorgängeralbum. "Rio De Janeiro" setzt diese Tradition im trockenen Swing fort - großartige Nummer. Wilking schlägt hoffnungsvolle Klänge an ("Unser Kleines Haus"), thematisiert aber auch Abschied und Ankommen: "Bye Bye Berlin" - wer seine Stadt tatsächlich verlassen muss, wird bei diesem Song in Tränen ausbrechen.
Unterm Strich macht Teles Sound heute einen entschlackteren Eindruck - obwohl mit Basser Jörg Holdinghausen ein neues Bandmitglied an Bord ist. Analog dazu haben sich die Musiker, so scheint es, diszipliniert, zumindest ordnen sie sich dem Song stets unter. Gegroovt wird zum Glück immer noch - eine Fähigkeit, die vielen Deutsch/Indiepoppern abgeht. Verschwunden sind auch die 80er-Synthieparts des Vorgängers. Jene überschwängliche Haltung blitzt noch beim Bonustrack der Limited Edition, "Zeit ist Schnell", durch.
Mittlerweile dominieren die recht kompakten Tracks eher Gitarrenlines, etwa beim rockenden "F.R.E.I.". Ansonsten fällt es schwer, einzelne Stücke hervorzuheben. Ein wirklich schwaches? Fehlanzeige. Wer meint, etwas von deutscher Popmusik zu verstehen, kommt an Tele nicht vorbei.
Noch keine Kommentare