laut.de-Kritik
Nüchtern, routiniert und mit Bezug zum Krieg.
Review von Philipp KauseObwohl ihnen der Schlagzeuger abhanden kam, ziehen Ten ihr Ding routiniert durch. Der Abgang ereignete sich schließlich erst nach der Einspielung von "Something Wicked This Way Comes", wo Markus Kullmann noch großes Tischtennis aufführt. Ten zeichnen sich heute durch eine Hauptrolle des Drum-Sets und schon immer durch Hardrock mit einer starken Leitfunktion der Keyboards aus. Gary Hughes' Gesang dient dem großen Ganzen, und die ganz große Gitarrenlastigkeit hat die Gruppe derzeit nicht. Zum Glück, denn den beiden aktuellen Gitarristen geht jegliche Kreativität ab. Von Tens Gründungs-Crew ist heute nur noch der Frontmann übrig, wie das ja bei ganz vielen Langhaar-Bands mit mehreren Jahrzehnten aufm Buckel eingetreten ist.
Als Marke stehen Ten für eine schnörkelarme Auslegung von Melodic Hardrock. Sie neigen den schnellen Songs inzwischen weit mehr zu als den Balladen ihrer Anfangsjahre, bewahren aber insgesamt angenehmen Gleichmut. Zum mehrstimmigem Balladen-Gesang von "New Found Hope" trieft das gähnlangweilige Solo (Minute 3'33" bis 4'17") vor Kitsch und wirkt zugleich schulmeisterlich piefig. Besser also, dass nicht so viele Power-Schmachtfetzen enthalten sind. Wobei sie das andere ruhige Stück (den Titelsong) sogar sehr gut meistern. Rasch steigern sie dort aber das Tempo und brechen die anfängliche Tristesse von "Something Wicked This Way Comes" mit fröhlichem Pfeifen am Ende des Songs.
Der durchweg recht besonnene Sound dröhnt stellenweise vehement, erspart sich aber jegliche Hektik. Die rhythmische Entspanntheit liest sich als Antwort auf die Düsternis des Angriffskriegs, der im Intro zu "Parabellum" als Collage aus mehreren Pressekonferenzen Thema ist. Dort verpacken die Engländer die anglophonen Schnipsel in mehreren Schichten. Effektreich legen sie sie übereinander, Bombenalarm, Echos und Megaphon inklusive. So wagen sie sich mutig ans schwierig zu analysierende Phänomen Kriegsrhetorik. Nebenbei bekommt sogar der Name des langjährigen Labels, bei dem Ten gesignt sind, eine neue Bedeutung - Frontiers Records. "Nations die, while emperors go (...) Frontiers that exist / are on the brink of an abyss", Grenzen bröckeln eher als Diktatoren stürzen, ein pessimistischer Blick zur schwermütigen Grundstimmung der Platte.
Besagter Track entwickelt sich zunehmend rauer, knochiger in der Gitarren-Architektur, hinzu kommen jene spiralförmig klingenden Keyboard-Figuren, die man von Saga in glibberiger Ausführung kennt. Gary und sein Bass-Kumpel Steve McKenna sind derweil so altgediente Rocker, dass sie sich vom Flirt mit Pop-Motiven nur mehr selten beirren lassen und ihre Combo auf nüchterne und unpathetische Ergebnisse einschwören. Auch wenn das Lied sich 'Parabel' nennt und demnach pädagogische und moralische Noten mitschwingen, wird der Krieg hier nicht etwa zur Besserwisserei oder gar zu Pseudo-bedeutungsvollem Musik-Firlefanz missbraucht. Ten drücken einfach aus, dass die Thematik sie umtreibt.
Tiefpunkte in Gestalt soliden, korsettstarr vorbei rauschenden Radio-Rocks bei "The Fire And The Rain" und "The Only Way Out" braucht hingegen wohl niemand, insbesondere hier nicht, wo Gary Hughes ungefähr genau so platzhalterisch wie Rea Garvey sing-nölt. Weder Hughes noch einer seiner Instrumentalisten kann aus eigener Kraft irgendein laues Lied aufheizen. Besser macht sich da schon das dezent progressive "When Darkness Comes", immerhin mit einer Gitarrenarbeit, mit der man sich punktuell als Uriah Heep Support qualifizieren könnte - dem einzigen Moment des Albums, an dem kurz wirklich etwas Passion fürs Instrument anklingt.
Mehrere dramaturgisch hochwertige Tunes packt dafür bereits die A-Seite der Scheibe aus: "Look For The Rose" mit traumwandlerischer Stringenz, das eingängige "Brave New Rose" und das zügige "The Tidal Wave" mit warmen Harmonien als runde Rock-Operette über Macht und Gewalt. Und "The Greatest Show On Earth" überrascht am Ende als glühendster, kompositorisch geschliffenster und hymnischer Rausschmeißer. Ten heben sich das Beste für den Schluss auf. Hier wandeln sie Weltschmerz in Hoffnung und hören sich sogar euphorisch an. Ein Spitzen-Ausklang für ein Album mit mehr Hochs als Tiefs und zu viel Durchschnitt.
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