laut.de-Kritik
"Jo wenn die Texta-Buan spüin ..."
Review von Philipp Gässlein"Jo wenn di Texta-Buan spüin, jo donn gfrait si mai Gmiat, waun de Beats ohntlich schnoizn und da DJ umriaht." Wer zum Verständnis eines solchen Textes einen Babelfisch benötigt, muss nicht gleich verzagen oder gar die Platte von seiner Liste streichen.
Erstens rappen Texta nicht das ganze Album in Mundart, zweitens gibt es alle Texte des Albums in 'deutscher Übersetzung' auf der Homepage der Band. Gemeinsam übrigens mit sechs Stücken, die es nicht auf die Platte geschafft haben und zum Download freigegeben wurden - unter anderem eine Collabo mit Sido von der Sekte.
Weitere Featuringpartner fanden sich mit Louie Austen, der einen musikalisch völlig undefinierbaren Refrain zu "FSK" beisteuert, der Schweizer Vorzeige-Crew Sektion Kuchikäschtli, OneIIMany aus Italien und den Münchner Freesytlefanatics vom Blumentopf. Gebraucht hätte es die Gäste eigentlich weniger, denn Texta leiden wahrlich nicht unter Ideenarmut: Ob da Lauryn Hill in das jazzige "Highlife" gescratcht wird oder Samy DeLuxe den Auftakt zur apokalyptischen Hymne "Es Bahnt Sich An" bringen darf, langweilig wird es nie. Schon die Single "Hediwari" (zu deutsch: "Hätte Ich, Wäre Ich") kommt mit einem wuchtigen orientalischen Dancefloorsample angerollt dessen Klasse sich mühelos mit Erzeugnissen aus dem Hause Seeed messen kann.
Zwar überzeugen einige Tracks wie "Nur Die Liebe Zählt" oder "Geben & Nehmen" nicht vollständig, der Großteil jedoch untermauert eindeutig, warum die vier Texta-MCs auf dem österreichischen Hip Hop-Thron sitzen. Der Beat von "So Oder So" vereint eine beinahe pervers zu nennende Basslinie mit angsteinflößenden Geigensamples, die ein wenig an "Shizophren" von den Fantas erinnert, und trifft damit voll den Nerv. Der typische Disstrack "Koider Kaffee" bleibt besonders durch Flips und Huckeys Part in Erinnerung, ebenso wie "Es Bahnt Sich An", eine derb kritische Betrachtungsweise gängiger Verhältnisse.
Texta erwähnen von genmanipuliertem Soja bis zum Irakkrieg ziemlich alles, was ihnen stinkt, und verpacken es erneut in eine nette Dancehallverkleidung. Im direkten Vergleich zu "Danke Bush" von der aktuellen Blumentopf-Scheibe erweist sich der Texta-Track als klar besser. In "Nachricht Von Dan" darf DJ Dan zeigen, dass seine Arbeit ebenfalls großen Anteil an der hohen Klasse des Albums hat, er disst mit seinen Cuts nebenbei noch Kool Savas so effektiv, wie es mit Reimen kaum möglich gewesen wäre.
Gemeinsam mit den Töpfen bekennen sich Texta, "Alt" zu sein, und formulieren äußerst amüsant, weswegen das so ist: "Du forderst 'Free Mandela!' bis dir die Stimme versagt, dein Arzt meint es wird immer schlimmer und du fühlst dich danach, schon bald wirst du von deinen eigenen Kindern verarscht ..." oder "Auf Konzerten hält man dich für nen Zivicop, du beginnst deine Geschichten mit Sprüchen wie 'Wisst ihr noch?', du denkst DVD steht für Deutsche Volksdemokraten, und glaubst, es geht um Sport wenn jemand sagt dass Leute am Start sind." Da haben sich zwei Crews gefunden, denen man weniger ihr Alter als vielmehr die zehn Jahre Erfahrung, die beide mittlerweile auf dem Buckel haben, deutlich anmerkt.
Ein hohes Alter attestieren sie übrigens auch anderen Bands, die hier Erwähnung finden, was sich wie ein 'Who is Who?' des Deutschrap liest: Total Chaos, Stieber Twins, Massive Töne, Eins Zwo, Toni L, Torch, Main Concept, Fanta 4, Spezializtz, RAG. Grandios wird es noch einmal, wenn Texta mit einem kritischen und einem liebevollen Auge auf ihr Heimatland blicken. "Österreich" fügt sich in die Tradition der sozialkritischsten Texte ein, die im deutschsprachigen Raum zu finden sind, und offenbart gnadenlos die Missstände im Alpenland der Haider-Ära.
Äußerst eindrucksvoll, was in unserem Nachbarland an Sprechgesang produziert wird, keine Frage. Weit und breit kein Aussetzer, lediglich einige wenige mittelmäßige Stücke dafür viele echte Hämmer, textliche und musikalische Vielfalt, vorgestellt von fünf sehr sympathischen Österreichern. Das Album ist facettenreicher als alle seine Vorgänger und muss sich auch qualitativ keinesfalls hinter ihnen verstecken. Die Beats schnoizn ohntlich, der DJ riaht exzellent und tatsächlich gfrait sich das ganze Gmiat auf das nächste Mal, wenn die Texta-Buan spüin.
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