laut.de-Kritik
Riesige Gästeliste, enttäuschende Umsetzung.
Review von Philipp KauseAuch wenn die Tracklist von Teyana Taylors Album reizüberflutend wirkt, löst die Soul-Sängerin die damit einhergehenden, hohen Erwartungen nicht ein. Taylor bietet eine beeindruckende Gästeliste auf von Erykah Badu über Rick Ross bis Lauryn Hill, nur 13 von insgesamt 23 Songs übernimmt die Basketballer-Ehegattin alleine.
Auf "The Album" finden sich die branchenüblichen Songs mit elf Songwritern ("Made It"), zwölf Schreibern ("How You Want It? (feat. King Combs)"), 13 Namen ("Lowkey (feat. Erykah Badu)") und sogar rekordverdächtigen 14 Credits-Angaben ("We Got Love (feat. Lauryn Hill)"). Sogar die Badu taucht auf, die sich seit ihrem letzten Release vor zehn Jahren sehr bedeckt hält. Doch leider handelt es sich da um Zitate aus ihren Songs "On & On" und "Next Lifetime".
Interessant für die Soulszene ist die Fusion mit den neuen Beats deshalb, weil der Song psychedelisch und Jam-artig klingt und trotz der stupiden Maschinen-Beats das Räucherstäbchen-Spirituelle und piepsig-Intime aus dem 'Baduismus' in den heutigen Trap-Kosmos überträgt. Teyana Meshay Jacqueli bietet Soft-R'n'B mit multipler Stimmencollage in "1800-One-Nite". Auf ein Tastentöne-Intro folgt ein Keyboard-Wummern, zart und unnachgiebig, so dass eine Atmosphäre analog zu Stevie Wonder-Songs entsteht. Lediglich das Thema ist anspruchslos: "Fuckin' all night".
Die offenbar primär triebgesteuerte Dame steigert die Sexualität in "Concrete" mit dem Konfliktlösungsvorschlag: "We can fuck it away, fuck it away / we can drink it away, drink it away / (...) we can blow it away, blow it away". Hey, gibt's noch andere Aspekte? "We can kiss it away / can't you wish it away? / we can throw it away / ignore it away / we can smoke it away (...) we control it this way." Auch "69" funktioniert ähnlich und blubbert als Assoziationskette über die Wörter "sexy", "crazy" und "ya feelin' the same", allerdings nicht ohne bei den Keyboard-Maestros der 70er gelernt zu haben, wie der Abgang im letzten Takt zeigt.
Insgesamt erweckt das den Eindruck, die Platte sei eine Vergoldung privater Sprachnachrichten zwischen Teyana und ihrem Reality-TV-Pendant Iman Shumpert, dem NBA-Star, mit dem sie auf VH-1 herumhüpft, privat das Bett teilt und hier den Song "Wake Up Love (feat. Iman)" präsentiert, auch irgendwas zwischen Grasrauchen und "affection", trappig austauschbar. Am Ende liefert jazziges Klaviergeklimper die obligatorische Nina Simone-Referenz.
Das 90-sekündige "Bad" ist ein Electro-Reggae im Santigold-Stil mit einem Bläser-Riff wie aus dem Fundus von Trojan oder vielleicht doch Stax. Die meisten Tracks sterben sofort an Langeweile ("Wrong Bitch"), andere glühen wieder vor Stevie Wonder-Charisma ("Lose Each Other"), wie auch das Intro von "Shoot It Up (feat. Big Sean)" belegt, eine ansonsten grauenvoll bemühte und reichlich unmusikalische Nullnummer. Flair tragen allenfalls die Kollabo "Come Back To Me (feat. Rick Ross and Junie)" und Teyanas Stimmband-Elastizität in "Killah (feat. Davido)".
Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen (oder denen ihrer zahlreichen Autoren): "Pretty face / what a bad attitude!". Was für eine schöne Stimme, was für ein überflüssiger Versuch, einen auf 'nasty' zu machen. "Self love is the best love" näselt sie gegen Ende noch einen Slogan für alle Narzissten. Folgende Idee: Wie wäre es nächstes Mal, statt 38 Produzenten einfach nur den besten zu nehmen und dafür ein paar Schlagzeuger anzuheuern? Nur auf vier Tracks erklingen echte Drums.
Vielleicht ist das Problem hier: Wenn Menschen zu sehr mit ihrem Leben zufrieden sind, strengen sie ihre Fantasie zu wenig an. "The Album" hätte aufgrund der Zusammensetzung des Personals, und den erkennbaren Referenzen an die 70er die Chance gehabt, ein Referenzwerk für den Soul der 2020er zu werden. Das Potenzial wurde verraucht. Die Vorab-Single "We Got Love (feat. Ms. Lauryn Hill)" bleibt der beste Track.
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