laut.de-Kritik
Zum 30. Geburtstag gelingt den Gothrockern ein Album der Extraklasse.
Review von Ulf KubankeHervorragenden Oldschool Gothic Rock der puren Sorte und mit Party-Appeal musste man schon immer mit der Lupe suchen. Seit exakt 30 Jahren wird man bei den Zweitgenerationsveteranen The 69 Eyes stets fündig. Zuverlässig wie ein Uhrwerk liefern sie regelmäßig gute bis sehr gute Songs voll kajalgetränktem Goth'n'Roll-Spirit ab. Zum runden Geburtstag kommen sie nicht etwa - wie zu viele Bands - mit lahmer Greatest Hits-Torte anmarschiert. "West End" bringt stattdessen elf brandneue Stücke, die zum Besten gehören, was ihr Katalog bietet.
"She's a beauty. She's riding through the night. / A freedom baby on the Highway 69." Die indigene Schönheit auf dem Motorrad ist eine typische Heldin aus den Liedern der Finnen. Hocherotisch, sexy bis zum Anschlag und dargeboten in laszivster Verführungspose. Doch Obacht. Wie so oft trügt auch bei "Cheyenna" der vordergründige Schein. Zeilen und zugehöriges Video enttarnen sie als waschechte Highwaykillerin, ein fleisch gewordener Sukkubus, der am Ende selbst dem Sensenmann begegnet.
Auch musikalisch ist die Auskopplung ein reines Spektakel. Diese Native American Killer Queen bewegt sich lässig auf Augenhöhe mit Höhepunkten wie "Brandon Lee", "Framed In Blood" oder "Gothic Girl". Neben starkem Chorus und elegantem Classic Goth Rock-Arrangement glänzen besonders die Vocals von Frontman Jyrki Pekka Emil Linnankivi alias Jyrki 69. Während viele Kollegen ihre Stimme künstlich und unfreiwillig clownesk herunter dimmen, pendelt er sein Timbre sinnlich dort ein, wo Iggy Pop große Songs wie "Cry For Love", "Livin' On The Edge Of The Night" oder "Hideaway" ansiedelt. Getrost darf man "Cheyenna" als einen der besten Rocksongs des Jahres einstufen.
Mühelos wandelt "West End" auf den Spuren ihres Meilenstein-Albums "Blessed Be". Hymnische Balladen wie "Change" oder "Death & Desire" brauchen sich hinter ehrwürdigen Vorgängern wie "Sleeping With Lions" nicht zu verstecken.
Besonders stark gerät auch ihr Händchen für treibende Midtempo-Ohrwürmer wie "Outsiders" oder "Be Here Now". "Black Orchid" etwa klingt tatsächlich wie eine dunkelerotische Blüte im Mondschein und wartet mit effektiv tanzbarem Keyboardthema auf. Wer sich auf der Suche nach der ultimativen Partynummer befindet, halte sich nur an das unwiderstehliche "Burn Witch Burn".
An der Ziellinie krönen die selbsternannten Helsinki-Vampire ihre schon bis dahin famose Leistung mit dem epischen Sieben-Minutenstück "Hell Has No Mercy". Auf den ersten Blick mag es weniger spektakulär wirken als die vorherigen Lieder. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich der nahezu stoische Aufbau samt zündender Melodie indes als hypnotisches Meisterstück der Extraklasse. "Got a satan's soul..."
5 Kommentare
Joa, gefällt mir auch gut.
Eine Band aus der Kategorie "Was, die gibts immer noch?".
Hab ich als Teenager aber gern gehört. (Bitte niemandem verraten.)
Ich mag das Album auch sehr doch ich kann die überschwängliche Bewertung von Herrn Kubanke nicht teilen. Konnte ich noch nie.
"Neben starkem Chorus" WTF? Er besteht aus nur einem Wort, nämlich Cheyenna und einem durchaus eingängigen Gitarrenriff. Doch hält dieser Song niemals mit Sternstunden, wie Brandon Lee oder Gothic Girl mit.
Dennoch interessant, wie die Meinungen auseinander gehen.
Ich werde mal reinhören. Früher mochte ich sie ganz gerne, auch wenn ich es selten schaffte ein Album in seiner Gänze durchzuhören.
Seltsam, mein erster Gedanke, als ich reingehört habe, war, dass es sich ein wenig nach rockiger Version von Bosshoss anhört. Da sich dies nach weiterem Hören bestätigt hat, wundere ich mich mich doch sehr über die Lobhudelei.