laut.de-Kritik

Pornös bleibt eben pornös.

Review von

Seit 2011 bekommt der tierische Ernst vom schönen Mannheim aus das Fürchten gelehrt. Wer die Meinung vertritt, dass ein Genre wie Crossover seit dem Ende der 1990er Jahre an Belang verloren und in der heutigen Zeit kaum mehr Chancen auf eine Renaissance hat, sollte hier zumindest mal ein Ohr riskieren. Mit einer wilden Mischung aus Deutschrap, Metalcore, Hardcore und allerhand Radio-Bumspop, gepaart mit spitzzüngigem Brachialhumor zwischen Kalauer und K.I.Z.igen Geschmacklosigkeiten bringen es die Buben bereits auf Album Nummer drei. "Das Weiße Album" hat glücklicherweise mit dem Namensvetter der unstrittig besten Band der Welt absolut überhaupt nichts zu tun, außer vielleicht, dass sich The Butcher Sisters beinahe ebenso vielseitig zeigen möchten.

In einer knappen Dreiviertelstunde ergießt sich ein schräges Stilgebräu gefüllt mit allerlei Unsinnigkeiten zu extrem belanglosen Themen über die geneigten Konsument*innen. Über allem schwebt eine GTI-Proleten-Atmosphäre, die allerdings so überspitzt erscheint, dass man dem Album kein einziges Prozent Ernst attestieren kann. Songs wie "Sonnenbrille", bei dem TBS zwischen recht ordentlich Raps und krassen Shouts wechseln, oder das hart schlagereske "Aperol" sind lupenreine Strandpartyhits. Unfassbar catchy, sehr gut komponiert und auch hervorragend produziert finden sie garantiert beim feierfreudigen Jungvolk entsprechend Anklang.

An Features fehlt es bei den Fleischerschwestern auch zu keiner Zeit. Der gute Alligatoah veredelt "Freitag"; die inhaltlich ultradämliche Ode ans Wochenende. "Hup Hup macht die Hupe" heißt es da begleitet zum ungestümen Nu-Metal Gekloppe, aber am Flow lässt sich grundsätzlich nichts aussetzen. Die Frankfurter Rapkasper von Mehnersmoos sind beim klar tanzbaren "Bierdurst" mit von der Partie und verwandeln das Stadion in eine Kiezdisko. "Mein Durst ist nicht zu stillen, wie ein Baby ohne Kopf", ok, das ist wirklich witzig. Nicht weniger heiter, obwohl musikalisch bewusst finster konstruiert, keult sich "Der Nudelsong" seinen Weg, bei dem die King Nugget Gang aus Saarbrücken mitwurstelt. Es groovt hart, Nudelsorten werden aufgezählt und blödsinnige italophone Zwischenrufe lassen kaum ein Auge trocken. Ein Stilmittelfeuerwerk überlädt die Nummer bis zum Äußersten, aber pornös bleibt eben pornös. Sehr geil auch die Nudel-Skits der Monnemer Oma vor und nach dem Track.

Hart wird es hinsichtlich der Inhalte und Riffs beim von Fischkalauern nur so strotzenden "Barsch", der musikalisch cool oldschooligen Hommage an die "Bauchtasche", bei der Scooter-meets-Metalcore-Klatsche "TK Pizza" und dem an die guten altern Farmer Boys erinnernden "Baggersee". Und ja, alleine am Titel kann man sich easy ausmalen, worum es in den entsprechenden Songs geht, wobei man sich natürlich noch eine dicke Kelle Prollism und substanzgeschwängerten Hedonismus dazu denken muss.

"Zeig Mir Dein" mit den 257ers im Gepäck erweitert das textliche Repertoire endlich auf die Themengebiete Pimmel und Titten, ohne einen der Begriffe konkret zu nennen. Frank Zander hat angerufen und möchte seinen lahmen Gag ("Oh, Susi") aus den 70ern zurück, den die älteren von uns sicher immer noch fremdbeschämt vergessen haben und die jüngeren besser nicht im Netz suchen sollten. Die Musik dazu ist herrlich bunt und klingt wie Knorkator auf preiswerten Modedrogen oder ein Faschingszug durch Duisburg-Marxloh.

Beim streckenweise wirklich lustigen Rausschmeißer "Drachentöter", bei dem sich die Symphonic Metaller von Equilibrium die Ehre geben, der Drache selbst zu Wort kommt und ein echt cooles Santiano-aus-der-Hölle-Kasperletheater abgebrannt wird, wird der größte Schwachpunkt des Albums deutlich: jeder Witz ist irgendwann auserzählt.

Rein handwerklich gibt absolut nix zu meckern, die Komposition ist regelrecht anspruchsvoll und alle Beteiligten beherrschen ihr Handwerkszeug. Aber ob man sich den Blödsinns-Overkill nüchtern mehr als zweimal geben kann, darf gerne in Zweifel gezogen werden.

Trackliste

  1. 1. Sonnenbrille
  2. 2. Freitag
  3. 3. Bierdurst
  4. 4. Barsch
  5. 5. Bauchtasche
  6. 6. Zu Viel Nudelsalat (Skit)
  7. 7. Der Nudelsong
  8. 8. Gruss, die Oma (Skit)
  9. 9. Mein Stern
  10. 10. Zeig Mir Dein
  11. 11. Baggersee
  12. 12. TK Pizza
  13. 13. Aperol
  14. 14. Drachentöter

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Butcher Sisters,the – Das Weiße Album (CD-Digisleeve) €17,98 €3,00 €20,99

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT The Butcher Sisters

Es tönt heftig nach Rapcore-Revival Anfang der 2010er Jahre. Alex (MC), Matsches (Shouts), Manuel, David (beide Gitarre), Florian (Bass) und Kai (Drums) …

1 Kommentar mit einer Antwort

  • Vor 2 Tagen

    Bierdurst natürlich nur inklusive Kotzorgie-Video genüsslich. Kann einfach nicht anders. Wünschte, ich hätte Rückgrat gehabt, das mit meinen ehemaligen Vorgesetzten so durchzuspielen. Liebe es einfach.