laut.de-Kritik
Die Punk-Institution auf dem Weg in die Unsterblichkeit.
Review von Ingo ScheelEs kann kein Zufall sein, dass "Evil Spirits" ausgerechnet am Freitag, den 13. erscheint. Spätestens seit "Phantasmagoria" aus dem Jahr 1985 zeigten The Damned eine mal mehr, mal weniger ausgeprägte Vorliebe für all things Gothic. Dunkle Ladys auf Friedhöfen, unheilvoll dräuende Raben, Nebel und Nachtmahre, mittendrin als einziger Fixpunkt Sänger Dave Vanian. Der dunkle Lord mit heller Strähne schminkte sich schon in den Pioniertagen der Band um 1976/77, als er sei er zum Casting für ein "Nosferatu"-Remake eingeladen.
Vier Dekaden, etliche Umbesetzungen (Motörhead-Lemmy gehörte ebenso kurzzeitig zur Band wie Culture Clubs Jon Moss), kleine Streits und große Versöhnungen später, liegt nun also Studioalbum Nummer elf vor: inspiriert, kaum Schwachstellen, heimliche und offenkundige Hits. Studio-Legende Tony Visconti gießt das Ganze in einen Sound, der Oldschool-Vorlieben mit der Postmoderne verbindet. Transparent, direkt, detailreich, auch ein Verdienst von Rückkehrer Paul Gray, dessen variantenreiches Bassspiel die Arrangements der Verdammten deutlich bereichert.
Das alles wäre nichts ohne das lockere Händchen, mit dem Captain Sensible seine Harmonien schmiedet, in "Standing On The Edge Of Tomorrow" etwa, der hochfliegenden Opener-Hymne mit Don-Kosaken-Chor und einem freigemeißeltem Riff für die Ewigkeit. Das hochoktanige "Devil In Disguise" ist, wie der Großteil der Songs auf diesem Album stilistisch zwischen "Black Album" (1980) und eben "Phantasmagoria" verwurzelt.
"Sonar Deceit" lässt gar einen Motown-Beat von der Leine und "I Don't Care", ein göttlicher Albumcloser von einem Song, kombiniert Vanians Tenor im opernhaften Intro mit einem dicken Gitarrenriff und einer somnambulen Jazz-Trompete zum Abschied, die kurz vor der Auslaufrille umgehenden Nochmal-hören-Impetus auslöst.
Über vierzig Jahre The Damned. Vergöttert, verspottet, ignoriert und innigst geliebt. Während die meisten ihrer Zeitgenossen verblichen, in Rente oder beim Backkatalog-Abtanzball Rebellion Festival gelandet sind, haben wir es hier mit einer Band im Hier und Jetzt zu tun. Einer musikalischen Institution, die schon mal zehn Jahre braucht, um ein neues Album zu stemmen, dann aber derart liefert, dass man jetzt schon gespannt sein darf, wie es wohl weitergehen mag.
Ende Mai kommt die Band auf Deutschland-Tour. Wer The Damned, etwa bei ihrer überirdischen Jubiläumsgala 2016 in der Royal Albert Hall, gesehen hat, löst zügig ein Ticket.
2 Kommentare
Läuft bis jetzt gut rein! Gieles Teil
Die wilden Jahre sind lange vorbei, "Evil Spirits" ist ein gezügeltes Alterswerk, aber voller Genre-Referenzen: Da ist noch der Punk, aber auch Glam und Pop, 60s Garage Rock, Gospelgesang und am Ende sogar noch jazzige Trompeten. Das "White Album" der Band ist es aber nicht geworden. Man hört Tony Visconti raus und hätte sich mehr Ecken und Kanten gewünscht. Eine vorzeigbare Platte, aber auch nicht mehr. Die junge Hörerschaft, die The Damned erst durch "Baby Driver" ("Neat Neat Neat") überhaupt kennengelernt hat, wird sie nicht abholen - dafür ist sie zu harmlos.