laut.de-Kritik
Zarte Psychedelik trotzt der Geschwindigkleit der Welt.
Review von Martin LeuteAls "experimentelle Lagerfeuermusik" bezeichnet der Organist Ken Switzer den Indiefolk seiner Brooklyner Formation The Dust Dive, die von der der Multinstrumentalistin Laura Ortman und dem Sänger Bryan Zimmermann komplettiert wird.
Und damit bringt er es auf den Punkt. "Dust Of Dive", das zweite Werk des Trios, zeichnet sich durch cineastisch wirkende Songs aus, meist geführt vom langsamen Gitarren und getragenen Melodien, um die sich feinsinnige, von Effektgeräten und Samples generierte und von Orgel oder Violine instrumentierte Arrangements ranken. Lofi-Folksongs kombiniert mit zarter Psychedelik, die der Geschwindigkeit der Welt trotzen.
Das Leben erscheint nicht bunt und melodisch, es ist monoton! So könnte das Motto dieser drei Künstler und Musiker lauten, die den Verfall von Kultur und Natur thematisieren und den Soundtrack der daraus resultierenden Einsamkeit erschaffen. Die monotonen Songstrukturen intoniert Bryan Zimmerman mit herausragenden Vocals, die an Mark Linkous von Sparklehorse und John Darnielle Mountain Goats erinnern. Und dass die Band Syd Barrett und Daniel Johnston zu ihren Lieblingen zählen, ist den Kompositionen ebenfalls anzuhören.
Das Album beginnt mit einer von Ortman sachte geschlagnen E-Gitarre, das Schlagzeug gesellt sich in "Babyface In A Pickup Truck" hinzu, und Zimmermans Vortrag bewegt sich zwischen Singen und Sprechen. Mit Soundcollagen und Orgelspiel sorgt Switzer für einen unaufdringlichen, aber dichten Klangteppich, mal befremdlich und irritierend klingend, mal sonnig verspielt.
Der Titeltrack "Claws Of Light" besticht dann mit schwebendem Gitarrenlauf, sonnigen Violinen, zweistimmigem Gesang und hübscher Pfeifeinlage. Bei aller Harmonieseligkeit versteht es die Band prächtig, immer wieder instrumentale Dissonanzen und tonale Schieflagen in die Songs zu integrieren, die auf Risse in der Welt hinweisen.
Das Krähen eines Hahns kündet in "Cut The Day With A Steak Knife" den Tag an, begleitet von der eingängig gezupften Gitarre und langgezogenen Orgeltönen. Großartig kommt "Starlet/Miss Brooklyn" daher, zuerst begleitet von einer blechernen Gitarre, dann abgelöst von einer wunderbaren Pianolinie und berührendem Geigenspiel. Ortmans Gesang ergänzt zudem Zimmermans Stimme perfekt.
Im famosen "Green River" und "Gowanus Meadowlarks" tönt die Orgel wie ein Akkordeon und versprüht einen zarten Jahrmarktcharme. Das traurige "Postcards Of Real Worlds" gefällt dagegen mit langsamem, aber heftig geschlagenem Klavier, Violine, zwei gegenläufigen Stimmen und diversen artifiziellen Klangeffekten, bevor im abschließenden "East Fork Rainbow" vorbeifahrende Autos als Geräuschfolie dienen.
Nach 45 Minuten endet ein nostalgisch atmosphärischer Trip, der zwar jedwede Sentimentalität vermeidet, aber auch dem Überschwang keinen Platz lässt. Lachen kann man schließlich anderswo. Mit minimalistischen Kompositionen haben The Dust Dive irgendwo am Stadtrand zwischen The Dirty Three, Sparklehorse und Will Oldham ihr altmodisches Zelt aufgeschlagen.
1 Kommentar
Was ist denn "Geschwindigkleit" im Untertitel?