laut.de-Kritik

'Francis of Assisi' reimt sich gut auf 'AC/DC'.

Review von

Irgendwie verlief die Karriere der Band holprig: Als Familienangelegenheit gestartet, legten die Felices 2008 mit ihrem selbstbetitelten Album einen vielversprechenden internationalen Start hin. Folk mit "jeder Menge Alkohol und ebenso viel Spielfreude", so die damalige Zusammenfassung. Doch verlor sich die Band in den Folgejahren in Klangexperimenten und änderte immer wieder das Line-up.

2019 veröffentlichten die verbliebenen Brüder Ian und James mit zwei neuen Mitgliedern, der Bassistin Jesske Hume sowie dem Schlagzeuger Will Lawrence, das siebte Album "Undress", eine mehr oder weniger live aufgenommene Indie-Rock-Angelegenheit, bei der der Name des Produzenten das Bemerkenswerteste war: Jeremy Backofen.

Unüblich rasch folgt zwei Jahre später Album Nummer acht, was natürlich an Corona liegt - statt auf Tour ging es wieder ins Studio. "Musik ist eine Medizin. Sie kann unsere Zeit auf diesem Planeten ein wenig angenehmer machen,", stellt Sänger und Songschreiber Ian Felice zurecht fest. Und so klingt der Opener "Jazz On The Autobahn" nach Roadtrip, mit fröhlicher Stimmung und Trompeteneinlagen, die Nate Walcott von Bright Eyes beisteuerte. "To-Do List" und "All The Way Down" erinnern an Neil Young, Bruce Springsteen und The Band, "Money" dagegen entfernt an Pink Floyd.

Doch kaum hat man sich damit abgefunden, ein etwas schepperndes Rock-Album zu hören, setzt Ian Felice zur eigenen Grabrede an. Die Idee kam ihm bei einer Beerdigung: "Die Person war ein lieber Freund und ein unbesungener Dichter, ein sehr geistreicher Mann mit einem wunderbaren Sinn für Humor. Ich habe versucht, für mich selbst eine Grabrede zu schreiben, die ihm gefallen hätte", so Felice. Zu kirchlich anmutenden Orgel und Klavier arbeitet er heraus, welch wenig bemerkenswerter Mensch er doch eigentlich sei, ("Never once named employee of the month / Lover of 24 hour laundromats"), mit zwei bemerkenswerten Ausnahmen: "Worked every night club in America" und "Once spent over two months stuck in a painting by Bruegel the Elder".

Womit das schöne Cover des Albums erklärt wäre. Es ist aber auch ein Hinweis auf den Aufnahmeort, eine kleine alte Kirche, die Ian Felice gekauft, renoviert und in ein Studio umgewandelt hat. "Be At Rest" läutet ein neues Kapitel der Platte ein. "Valium" erinnert an die zahllosen Nächte, die Felice in Hotelzimmern verbracht hat, schlaflos die Fernsehprogramme durchschaltend, ohne richtig hinzuschauen, mit Gedanken, die von John Wayne über die Schützin Annie Oakley zu einer verflossenen Liebe namens Marilyn wandern.

Ein nachdenkliches Klavierstück mit schöner Pedal Steel von Mike Mogis, ebenfalls bei Bright Eyes. Eine Vorstufe zur Hölle, die sich im folgenden Stück auftut: "Who's that riding on the banks of the Rio Grande / It's Jean-Claude Van Damme", dichtet Felice, womit er einen Kandidaten für den Reim des Jahres liefert ("Grän" auf "Van Däm"). Fast möchte man zur Ballade mit Stadionrock-Potential das Feuerzeug auspacken.

So einfach die Musik, so tief der Gedanke: "In diesem Lied geht es vor allem um das Fortbestehen bestimmter alltäglicher Erinnerungen und darum, wie sie eine verborgene Bedeutung annehmen, wie ihre Symbole Teil unseres Innenlebens werden und wie sie sich in unseren Köpfen verändern. Fährt Jean-Claude Van Damme tatsächlich auf einem Motorrad am Ufer des Rio Grande entlang? Ich kann mich nicht erinnern, aber ich habe dieses Bild noch immer im Kopf. Ich erinnere mich nur daran, wie schrecklich der Film war".

Womit dann der Titel "Inferno" erklärt wäre. Doch gibt es auch lichte Momente. In "Celebrity X" nimmt die Band mit fröhlicher Jahrmarktorgel den Celebrity-Kult auf die Schippe, während Felice allerlei nicht näher benannte Promis unschöne Tode sterben lässt. Zum Schluss wird es noch mal ernst, mit einem Stück, das nicht nur wegen seines Titels an Bob Dylan mit The Band erinnert. "We Shall Live Again" ist deren "I Shall Be Released", zumal sich Felice zu allerlei Assoziierungen und kryptischen Bildern inspirieren lässt.

Gut, mit "from Francis of Assisi / to the fans of AC/DC / we all shall live again" oder "Remember Hegel, that beautiful son of a bitch" lässt sich kein Nobelpreis gewinnen, doch die abschließenden Verse passen gut zur Corona-Pandemie: "This world is ours and all the stars / It's like the frosting on the cake of death / and the only word that rhymes is breath / Because we shall live again".

"Ich möchte, dass meine Musik das tut, was die beste Musik in meinem Leben für mich getan hat. Ich möchte anderen Menschen helfen, über schwierige Zeiten nachzudenken oder zu überlegen, wie sie etwas mitteilen können, von dem sie nicht wussten, wie es geht. Sie einfach glücklich machen", erklärt Felice. Ob ihm das gelingt, sei dahin gestellt. Auf jeden Fall hat er (mit seiner Band) sein bestes Album seit 2008 aufgenommen.

Trackliste

  1. 1. Jazz On The Autobahn
  2. 2. To-Do List
  3. 3. All The Way Down
  4. 4. Money Talks
  5. 5. Be At Rest
  6. 6. Valium
  7. 7. Inferno
  8. 8. Silverfish
  9. 9. Celebrity X
  10. 10. Land Of Yesterdays
  11. 11. Blow Him Apart
  12. 12. We Shall Live Again

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