laut.de-Kritik
Wayne Coyne zeigt mit nacktem Finger auf uns.
Review von Julia KindelDass sich Wayne Coyne, Mastermind der Flaming Lips, als Kind im Zauberwald verlief und fünf Hirnhälften mehr als der Durchschnittmensch mitbrachte, gilt als allgemein bekannt. Was ihn bewog, gemeinsam mit Miley Cyrus ausgerechnet die Beatles zu covern, darüber rätselt die Welt. Sein Anspruch an Musik geht über die reine Entertainment-Ebene hinaus und erreicht zuweilen transzendente Sphären des Wahnsinns. Ein Gesamtkunstwerk, dieser Typ.
Faszinierend und schwer durchschaubar zeigt sich auch das neue Album. Auf "7 Skies H3" bebildern schwere Klangmosaike die kargsten Stunden eines monochromen Lebens. Wer das mit Freude verdauen kann, muss schon ein John Cage-Jünger sein oder auf super trübe Soundtracks stehen. Wer sein Leben lang auf die Umsetzung des zähsten Kaugummis der Welt in ein akustisches Wahrnehmungserlebnis gewartet hat, kommt hier auf seine Kosten.
Ursprünglich im Jahr 2011 als 24 Stunden-Song erschienen, konnte man "7 Skies H3" auf 13 Festplatten in einem echten Menschenschädel für jeweils 5000 Dollar erwerben. Auf 50 Minuten eingedampft kommt der Track viel erschwinglicher und als weniger langer Langspieler daher. Der Grat zwischen eigener Wiederholung und schleppender Langweile ist schmal. Die Behauptung, die Gruppe um Coynes würde ihn meistern, liegt im Auge des Betrachters.
"7 Skies H3" liefert in seinen besten Momenten zauberhafte Melodieelemente, die in der Wiederholung dem Verfall preisgegeben werden. "In A Dream" tritt deutlich als Glanzstück des Albums heraus, bei dem der Kampf zwischen drögem Stillstand und dem Willen zur progressiven Weiterentwicklung als Essenz des Albums hervorschimmert. Der Stillstand dominiert.
Danach: acht Minuten Soundgepuzzel gefolgt von drei Minuten Soundgepuzzel gefolgt von zwei Minuten Soundgepuzzel, als müssten sie Zeit mit Nonsens füllen. Eine so heftig Atemstillstand verursachende Unterbrechung der Tristesse, wie sie bei "Riot In My Brain" plötzlich auftaucht, lieferte zuletzt Haydn mit seiner 94. aka der Paukenschlagsinfonie. Ziemlich lang her, trotzdem können selbst Freunde des Langspielers "7 Skies H3" nicht als Meilenstein werten.
Sphärische Klangteppiche mit interessanten Synthies, geisterhaft bedrohlichem Schlagwerk, durchzogen von Distortionelementen und rarem Gesang, der hier und da mal zart mal verstörend auftaucht, kennzeichnen das Album. Wem es bis zum achten Track nicht aufgefallen ist, bekommt das "Main Theme", das die Platte wie ein roter Faden durchzieht, noch einmal auf dem Silbertablett serviert.
Als Mensch mit nur zwei Hirnhälften und einem Anspruch an Musik, der abseits der Entertainment-Schiene wenigstens verlangt, berührt zu werden, kann man die Platte nur so werten: Schwer zu durchschauen, bis auf eine verstörende Stelle auch nicht atem(be)raubend und insgesamt sehr unaufregend.
3 Kommentare mit 9 Antworten
So schlecht wie hier beschrieben finde ich das Album zwar nicht, aber warum wird hier dieses Album beschrieben, aber nicht The Terror, welches ich eher als letztes "reguläres" Album ansehen würde und welches auch um einiges besser ist als das hier
Gute Frage warum das nicht berücksichtigt wurde
Schließe mich der Verwunderung an! "The Terror" war ein wirklich wichtiges Album der Band und wurde hier ziemlich ignoriert. Ist auch schade, weil auf laut.de die Skandälchen um die Band mit ausgeschlachtet wurden und sie sich hier nun mit einer Randveröffentlichung eines Kunstprojekts bewerten lassen muß.
Ja, finde ich auch. Ich persönlich finde sogar, dass The Terror ihr bestes Album bisher ist, aber viele Fans werden mir da wohl widersprechen
Finds auch sehr genial, aber bestes Album? Das kann ich so nicht unterschreiben. Top 5 aber auf jeden Fall.
Für mich bleibt es Yoshimi.
Wie gesagt, habe mir schon gedacht, dass das nicht viele so sehen
Ich hab grundsätzlich keine Lieblingsalben meiner Lieblingsbands. "The Terror" ist auf jeden Fall eine der stärksten Flaming-Lips-Scheiben!
So kann man es aber natürlich auch sehen Ich habe eigentlich schon meistens ein Album, welches ich generell mehr höre als andere. Bei Radiohead ist es Kid A (obwohl ich auch OK Computer und In Rainbows sehr oft höre), aber ingesamt würde ich auch da Kid A als mein "Lieblingsalbum" nennen, auch wenn bei Bands, die ich sehr oft höre natürlich die Grenzen sehr eng sind
Jop, so sieht's aus. Würd mich z.B. nicht zwischen OK Computer und In Rainbows entscheiden wollen (fragt mich NIE nach den drei Alben für die einsame Insel). Ähnlich bei Yoshimi und The Soft Bulletin.
The Terror ist auch eher an mir vorbei gezogen, aber jetzt wo ich hier den ganzen Jubel lese, hol ich das augenblicklich mal nach.
Vorhin wars noch ein Punkt, oder?
"Battle Voices from Beyond" ist der bislang beste Film-Track zu einem bislang noch nicht gesehenen Film dieses Jahr. Ansonsten eher ein experimentelles Album als ein reguläres. Erinnert an Radiohead, stellenweise.