laut.de-Kritik
Omar und Cedric amputieren den Konzeptgedanken.
Review von Matthias MantheLadies and Gentlemen, die vielleicht streitbarste Band im Subkosmos alternativer Gitarrenkultur hat das Studio verlassen (O-Ton: "Unser Zuhause!"). Konspirativ unter Afro und dünnen Ärmchen versteckt und trotz Promoverzicht entdeckt: Das Opus tres dieser niemals pausierenden Wertschöpfer. Und wie schon vor anderthalb Jahren, als "Frances The Mute" den Keil der Trennung tief in die Mitte der versammelten TMV-Gemeinschaft rammte, stellt sich erneut die Frage: Wie lange geht das noch gut mit dem Immer-wieder-neu-Verlieben? Bitte urteilen Sie selbst.
Zuvor der obligatorische Sicherheitshinweis: Wer die durchgemendelte Free-Kraut-Jazz-Prog-Core-Cuisine des Omar R.-L. und Cedric B.-Z. bislang ungerührt stehen ließ, wird auch heuer nicht satt. In die Töpfe jener Crossover-Kombüse zu gucken, ist der Sache ohnehin undienlich. Denn nicht einzelne Zutaten wie Komplexität und technische Finesse prägen das Phänomen The Mars Volta nachhaltig, sondern das große lichtabsorbierende Ganze.
Beziehungsweise prägten. Ganz recht, verehrter Leser. Präteritum. Denn "Amputechture" bricht mit der Konzeptionalität seiner aufwühlenden Bahnbrecher. Kein tragischer Selbstmord, keine ideengebende Identitätssuche beleuchtet diesmal den beschwerlichen Weg zum Spacerock-Firmament. Lockere Querverweise ersetzen stringente Handlung. Das Presseinfo zieht sich ratlos auf biografische Nebensächlichkeiten zurück, während der Rezensent einige Abende freischaufelt, zu guten Kopfhörern greift und sich in weitere 76 Minuten Maximalanspruch stürzt.
Ein gefährliches Unterfangen, denn statt dichtem Klangteppich lauert gleich der freie Fall in die Tiefen eines verhuschten Horror B-Movie-Prologs. Bixlers schwermütiges Schwelgen reicht dazu die Räucherstäbchen, dann lädt das altbekannte Saxophon zum zentralen Albummoment "Tetragrammaton". Darin knüpft Produzent Rodriguez, der den Leadgitarrenposten nunmehr weitgehend an Dauergast John Frusciante abgetreten hat, fast 17 Minuten lang Passage an Passage.
Wie ein Puppenspieler im Weinnebel reiht er wie gehabt kakophonische Spurgewalt, elegischen Gesang und Ruheinseln à la "Cicatriz ESP" aneinander, ohne aber den jeweiligen Stimmungen Zeit und Raum zur Entfaltung zu lassen. Eklektisch statt elektrisch, mitunter nahe dran an beliebig. Zweifellos, der Einwand, Patchwork-Architektur sei nun einmal unverrückbares Prinzip im Hause Volta, besitzt Gültigkeit. Allerdings lagen die Harmonie-Bruchstellen nie so unüberhörbar offen.
In "Day Of The Baphomets" findet sich noch so eine vordergründige Bombastoper, die eigentlich alles hat: einen genialen Regisseur, tolles Bühnendesign und dicke Frauen. Nur bleiben kompositorische Meisterschaft und emotionale Bodenlosigkeit auf der Sollseite. Andererseits "Vermicide": eine ausnehmend geradeaus vorgetragene Halbballade im Stil von "The Widow". Auch der äußerst krautige Kopfnicker "Meccamputechture" entsagt wie das Gros der Stücke den atmosphärischen Interludes des Vorgängers und gehört zum größten Kapital.
Unverständlicherweise ins Hinterzimmer gemischt wurde das Spiel von Exschlagzeuger Jon Theodore. Der finale Wermutstropfen gebührt jedoch dem nur von der 'Guitarra' begleiteten Latino-Schmachtfetzen "Asilos Magdalena". Dass die Neuerungssucht dieser de facto Zwei-Mann-Formation in ein solch schmieriges Juanes-Abziehbild münden könnte... Am Ende verzeihlich, schließlich befindet sich das vierte Werk bereits in der Planungsphase. Dann bitte weniger Selbstzitat und wieder nach oben mit der Messlatte, okay?
2 Kommentare
Fantastischer neuer Song von kommenden Album hier....
http://www.myspace.com/themarsvolta
http://forum.laut.de/showthread.php?t=39339