laut.de-Kritik
Den Texanern ist nichts heilig.
Review von Christoph DornerEs soll Bands geben, die mit dem Alter für ein kleines bisschen Anerkennung altersmilde und handzahm werden. Die Melodien werden dann süffiger, die Songs geradliniger und die Produktion frei von Widersprüchen. Nicht so bei The Paper Chase, die auch mit ihrem fünften Album bewusst anecken und weiterhin wenig kompromissbereite Outlaws des experimentellen Noiserocks bleiben.
Sänger John Congleton, seines Zeichens Zögling des großen Steve Albini und kantiger Produzent des Albums, hat nach schauriger Körperfresser- und Killer-Metaphorik nun den Weltuntergang für sich entdeckt: Massenpanik, Tornados, Epidemien. Und wer die tatsächlich urgewaltige Band aus Dallas, Texas einmal live gesehen hat, weiß, dass es der sich selbst kasteiende Frontmann in der Rolle des Mephisto vollauf ernst meint.
Begleitet werden diese fast schon biblischen Gewaltphantasien wie immer von einem sägenden Kontrabass, nervenzerfressenden Gitarren, schepprigem Schlagzeug und einem hypernervösen Klavier, die sich mit flirrenden Streichern zu einem schaurig-schönen Kammerorchester zusammenfinden, dass offensichtlicher denn je brüchige, aber zutiefst poppige Melodien zulässt.
Man ist fast schon versucht, Songs wie den dramaturgisch zugespitzten Opener "If Nobody Moves Nobody Will Get Hurt" und das hymnische "I'm Going To Heaven With Or Without You" harmlos Grusel-Pop vom Schlage einer Band wie Modest Mouse zu nennen. Wäre da nicht Congletons Gabe, das Grauen schlagwortartig auf die Noise-Dynamik der Songs so auszurichten, dass man sich während der gesamten 46 Minuten ähnlich unwohl fühlt wie beim Anhören der ersten Alben von Marilyn Manson.
Selbst den Gospelchor "He's Got The Whole World In His Hands" holen The Paper Chase in "The Small Of Your Back The Nape Of Your Neck" an Bord ihrer Titanic, deren jämmerliches Absaufen auch zum Thema gemacht wird. Spätestens an dieser Stelle weiß man: Dieser Band ist nichts heilig, diese Band ist nicht tot zu kriegen. Teil zwei des Abgesangs auf die Zivilisation folgt 2010.
5 Kommentare
Whoa!
Ist das geil.
Hatte von denen noch nie was gehört aber das was ich seit heute kenn hat mich echt weggehauen...
Und das waren nur die Scheiß-Amazon.de-Previews.
Alter, ist das geil!!
kaum einer postet hier - das bedeutet es muss irgendwie gut sein...
denn wären sie scheiße, dann wäre es hier so voll wie im Mark Medlock Thread
Der Titel erinnert dezent an OceanSize. Zufall?
wow hier kann man laut wirklich zu 100% vertrauen^^ Das Album ist richtig gut und ich hatte noch nie was von der Band gehört -.-
Kann mir jemand noch ein weiteres Album von denen empfehlen? habe Lust auf mehr gekriegt
@Beachkartoffel: Eigentlich kann man alle Alben dieser Band uneingeschränkt empfehlen, aber Vorsicht! - die Someday ist die "popigste" Platte bisher, die anderen sind um einiges extremer. Das Meisterwerk Nr. 1 heißt "Hide the kitchen knives", Meisterwerk 2 "God Bless Your Black Heart". - Bisher hatte ich eigentlich nur Probleme mit "Now You´re One Of Us", aber auch darauf finden sich einige unglaubliche Songs.