laut.de-Kritik
Die New-Wave-Spezialisten kommen im Hier und Jetzt an.
Review von Stefan MertlikFans von "Stranger Things" erinnern sich an eine Szene aus der dritten Folge in der zweiten Staffel: Die verkaterte Nancy schüttet Jonathan das Herz aus. Wills Bruder lauscht verständnisvoll. Beide sitzen auf der Motorhaube eines Fords, und im Hintergrund läuft "The Ghost In You" von The Psychedelic Furs. Gerade so laut, dass das Lied nur bei genauem Hinhören zu verstehen ist.
Mit den Songs ihres achten Studioalbums "Made Of Rain" wäre diese Szene unmöglich gewesen. Fast 30 Jahre nach ihrer letzten Platte haben die Psychedelic Furs nur noch wenig mit dem handzahmen New Wave ihrer Anfangstage gemein. "Made Of Rain" klingt laut und düster. Nur Richard Butlers charismatische Stimme erinnert an die Band, die in den Achtzigerjahren die britische Post-Punk-Szene mitprägte.
Bereits der Opener "The Boy Who Invented Rock & Roll" gibt die Richtung der Platte vor. Synthesizer halten sich zugunsten des Saxofons zurück. Das Blasinstrument verleiht der Musik eine Wärme, die kein Keyboard erzeugen kann. Das Sextett hat elektronische Sounds deshalb nicht abgeschrieben. Art Rock, Alternative und ein bisschen New Wave – vielmehr vermischt die Band auf "Made Of Rain" die Stile all ihrer Schaffensperioden. Entstanden ist Musik, die ins Hier und Jetzt passt.
Einzelne Stücke orientieren sich dennoch stärker an bestimmten Bandphasen als andere. "Ash Wednesday" gehört auf den "Miami Vice"-Soundtrack, "You'll Be Mine" auf die After-Show-Party des Mittelaltermarkts. Die zwölf Songs haben einen fast schon hymnischen Charakter inne. Dabei treffen poppige Melodien auf massive Soundwände – entweder aus Gitarren, Synthie-Flächen oder beidem zusammen.
Dass all das mitunter düstere Zügen annimmt, unterstreichen die Texte. "You wonder where the weather went / You’re sucking on a cigarette / And hell here comes the rain again / And heaven isn’t heaven sent", singt Butler in "Don't Believe" mit gesenktem Kopf. Seine Stimme klingt unverwechselbar. Allerdings entlarvt gerade der aufgeplusterte Refrain von "No-One" die Grenzen seines Organs. Lässt er sich in "Hide The Medicine" von Kinderstimmen begleiten, ist das aber vergessen.
Vergangenes Jahr tourten The Psychedelic Furs um die Welt. "Made Of Rain" gibt endgültig Hoffnung, dass das bereits 2000 eingeleitete Comeback nun richtig Fahrt aufnimmt. An der Musik soll es nicht scheitern. "Made Of Rain" glänzt mit modernen und mit Ideen beladenen Produktionen, die den ursprünglichen Stil der Band nicht verraten.
2 Kommentare mit einer Antwort
In der Tat recht gut geworden.
+1
In diesem Zusammenhang auch nochmal die "Book of days" der Psychedelic Furs von 1989 angehört.
Sehr feines, unaufgeregtes Album.
https://www.youtube.com/watch?v=6hOSQNmH2ek