laut.de-Kritik
Tex-Mex-Feelings, angesurfte Gitarrenchords und sündige Mariachi-Fantasien.
Review von Daniel StraubNashville, die unscheinbare Stadt im Herzen von Tennessee, gilt seit langem als Mekka für alle Verehrer der Country-Musik. Jahrelang trafen sich dort die etablierten Stars und solche, die es erst noch werden wollten. Seit einiger Zeit gilt Country auch in Underground-Kreisen wieder als schick, und so entwickelt sich das konservative Nashville auch zum Bezugspunkt von allerlei abgerissenen Gestalten. The Saddle Tramps, zweifelsfrei letztgenannten zuzuordnen, leben mit "Nashville Swinger" ihre ungezügelte Leidenschaft für White Trash, Country, Surf und Rockabilly 16 Songs lang aus.
Das macht Spass von Beginn an. Keine Frage. Live mitgeschnitten in der Great Basin Brewery der Spielerstadt Reno in Nevada, wo auch Johnny Cash im "Folsom Prison Blues" seine blutige Spur zieht, läuft das Quartett zur Höchstform auf. Dort im sogenannten Silver State, wie das Nummernschild am Auto aufklärt, grooven sich die Saddle Tramps mit viel Charme und jeder Menge nicht jugendfreien Ansagen durch ihr einstündiges Set.
Titel wie "How Can I Say I Love You (With A Shotgun In My Mouth)" oder "My Dick's Too Big" klingen, als hätten die vier Jungs zu viele Tarantino-Filme im Proberaum angeschaut. Eine gute Portion scharf-gewürzten Tex-Mex-Feelings, angesurfte Gitarrenchords und sündige Mariachi-Fantasien stürzen jeden unaufhaltsam in die Niederungen des amerikanischen White Trash. Dort gährt so manches komische Süppchen vor sich hin, bis es eines Tages an die Oberfläche steigt.
Vor zehn Jahren erlebte Surf-Rock, dank einem endlich wieder unpeinlichen Dick Dale und Pulp Fiction ein Revival, von dem wohl niemand geträumt hätte. Mit vier Alben an der Seite von Rick Rubin machte Johnny Cash das angestaubte Genre Country nun auf ähnliche Weise bei der Jugend wieder salonfähig. Die will freilich von den formatierten Nashville-Radio-Songs nichts wissen und spielt ihren ganz eigenen Country, angereichert mit einer guten Portion Punk, Rockabilly und Surf. Das ist gut so: "It's time to rock out, with your cock out!".
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