laut.de-Kritik
Verjazzter Reggae, der sich jeder Improvisation verweigert.
Review von Dani FrommEin bisschen verrückt ist es schon, dass ich bei den Senior Allstars immer noch ihren früheren Frontmann vermisse. Dabei spielen die Herren mittlerweile fast schon länger alleine als im Rücken Dr. Ring-Dings. Zudem orientieren sie sich seit Jahren konsequent weg vom einstigen Party-Sound hin zu einer äußerst seriösen, instrumental gehaltenen Fusion aus Reggae und Jazz.
Ganz etwas anderes, eigentlich, nämlich sehr gediegen: Für sich genommen bildet jeder einzelne Tune auf "Come Around" sein eigenes kleines Klang-Universum. Mal gut gelaunt und temperamentvoll, mal träge, jederzeit jedoch cool und gelassen, grooven Gitarren, Bass und Keyboards auf dem Fundament sauber und solide gedroschener Drums vor sich hin.
Über Oliver Wienands Saxophon oder die gedämpfte Trompete, die Bernd Westhoff zu "Rome" und "T-Birdskank" beisteuert, weht mehr als nur ein Hauch von Jazz herein. Die Allstars sprechen nicht ohne Grund von ihrer "definition of a jamaican jazz style".
Orientalische Klänge regieren "Boombay", dessen dunkler, geheimnisvoller Dub-Dschungel voller detailreich konstruierter Spannungsbögen steckt. Die Exotik fesselt gleichermaßen, wie sie die Gedanken abschweifen lässt. Schizophren? Vielleicht. Mit Kontrasten hantieren die Senior Allstars jedenfalls virtuos.
Wenn in "Five To Nine" die Gitarre lustig geradeaus pluckert, sorgen warme Saxophonklänge für sehnsüchtiges Abdriften aus dem Einerlei, bevor sich die Keyboards ins Rampenlicht klimpern und die ihnen gebührende Beachtung einfordern. Grelles steht neben Sanftem, luftige Melodien und hüpfende Rhythmen legen sich in ein weiches, basslastiges Bett - gefällt.
Ebenso die gar zauberhafte Interpretation von Thelonious Monks "Bemsha Swing", dessen schräge Töne immer wieder die Aufmerksamkeit des Kopfkino-Besuchers erzwingen. Die Tunes, fast sämtlich länger als vier Minuten, geraten in sich abwechslungsreich und lassen, jeder für sich betrachtet, keine Langeweile aufkommen. Einen Sänger vermisse ich tatsächlich nirgends.
Warum fehlt mir Richie Senior dann trotzdem? Mir geht auf "Come Around" das spontane, unvorhersehbare Element vollkommen ab. Alles wirkt handwerklich astrein und dabei äußerst kalkuliert. Den Tracks bleibt nicht nur überhaupt nichts Zufälliges, ihnen wird auch an keiner Stelle auch nur der Anstrich von Zufälligkeit verliehen.
Tatsächlich bauen die einzelnen Nummern auf ein sehr ähnliches Strickmuster, das einem wiederholt den Eindruck des vorletzten Songs eines Konzertes vermittelt: Da wird, kurz vor dem abschließenden Kracher, die Band vorgestellt. Jeder (hier mit Ausnahme eines sich bedeckt haltenden Drummers) darf noch einmal ein Solo ausbreiten und zeigen, was er drauf hat. Völlig gerechtfertigt. Aber doch bitte nicht dreizehnmal.
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