laut.de-Kritik
Gelungene Rocksongs mit mehr Gerumpel als zuletzt.
Review von Olaf SchmidtDas Biest wehrt sich heftig und mit aller Macht. Welches Biest? Gemeint ist das fünfte Album der Whigs, "Modern Creation". Konnte man den Vorgänger "Enjoy The Company" bereits beim ersten Durchgang ins Herz schließen, gestaltet sich das bei der neuen Scheibe erheblich schwieriger. Wem die letzte Platte der Whigs zu glatt und eingängig war, kann durchatmen: Die Band aus Athens in Georgia hat den Garagenrock-Anteil wieder deutlich erhöht und rumpelt bedeutend sperriger durch die zehn neuen Songs.
Aber: Nach der Arbeit kommt bekanntlich das Vergnügen, und das gilt für diese Album ebenso. Natürlich wollen die Whigs weiterhin keine Konkurrenz für Sonic Youth oder andere Lärmformationen sein, aber die enorme Eingängigkeit des letzten Albums schien ihnen selbst etwas unheimlich zu sein. Nach und nach entfaltet sich "Modern Creation" und offenbart all das, was den Vorgänger so gut machte - allerdings weniger offensichtlich.
Ein Lied wie "Friday Night" kommt krachig daher, versteckt aber einen sehr melodischen Kern, den man erst unter den Lo-Fi-Gitarren und dem nöligen Gesang freilegen muss. "Asking Strangers For Direction" schlägt in eine ähnliche Kerbe: Dumpf dröhnt die Gitarre im Hintergrund herum, während sich Schlagzeuger Julian Dorio richtig ins Zeug legt.
Im Gegensatz zu der sauber produzierten Vorgängerplatte war der Ansatz dieses Mal: Wir buchen zwei Wochen Studio, gehen rein und nehmen das Teil weitgehend live auf. Nach zwölf Tagen waren die Drei fertig. Man hörts, die Platte klingt roh und ungeschliffen. "You Should Be Able To Feel It" halt. Die Overdubs beschränken sich auf den Gesang und ein paar Tasteninstrumente hier und da. "The Difference Between One And Two" etwa gewinnt durch den Einsatz von etwas Klavier und Orgel deutlich.
A propos Gesang: Live aufgenommene Alben haben immer ihren eigenen Charme und besitzen gewisse Vorteile. Aber musste es unbedingt der jeweils erste Vocal-Take sein? Parker Gisbert kann das besser, hier klingt er schon mal etwas gelangweilt, vermutlich hat er diese Teile morgens um fünf eingesungen.
Unterm Strich bieten die Jungs aus Georgia auf ihrem fünften Album wieder gelungene Rocksongs mit mehr Gerumpel als zuletzt, die auf den dritten Blick doch noch Eingängigkeit offenbaren. Zum Glück werden sie auch weiterhin nicht im deutschen Formatradio gespielt werden. Dazu müssten sich die Sender das Album auch erstmal bestellen, denn momentan ist es leider nur als Import zu haben.
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