laut.de-Kritik
Eine Supergroup stiftet Verwirrung.
Review von Kai ButterweckDass eine Supergroup wie die The Winery Dogs mit ihren Mitgliedern Mike Portnoy (Dream Theater, Transatlantic, Adrenaline Mob), Richie Kotzen (Mr. Big, Poison) und Billy Sheehan (Mr. Big) für Aufsehen sorgen würde, war klar. Als es die Band aber vor zwei mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum sogar bis in die Billboard-Top-30 schaffte, kratzten sich selbst die Verantwortlichen verwundert die Köpfe. Der erdige, mit funkig groovenden Elementen aufgepeppte Hardrock der drei Rock'n'Roll-Weltenbummler packte die Edelstahlcommunity bei den Eiern und erntete flächendeckend Lobgesänge.
Nun lassen die Winery Dogs ihr zweites Album vom Stapel. Und mit "Hot Streak" macht die Band genau dort weiter, wo man vor zwei Jahren aufgehört hat. Lässt einen der etwas uninspiriert daddelnde Opener "Oblivion" noch weitgehend kalt, sprüht das anschließende "Captain Love" dafür um so mehr Funken. Mit gradlinigen AC/DC-Riffs und Kotzens klassischem Hardrocktimbre huldigen die Herren ihren musikalischen Wurzeln.
"Ghost Town" geht ähnlich straight nach vorne; wenngleich das Fundament, auf dem das Trio auf der Überholspur rockt, ein komplett anderes ist. Auf Portnoys schnellen Beats stapeln sich sphärische Synthies und frickelige Gitarrenlicks.
Mit "Devil You Know" schicken die Winery Dogs einen dritten Rocker ins Rennen, den man bereits nach dem ersten Durchlauf nicht mehr aus den Ohren bekommt. Angetrieben von schnellen Doublebasskünsten aus dem Background entwickelt der Song eine Eigendynamik, die beweist, mit welchen Wassern die Urheber gewaschen sind. Hier passt jedes Break, jeder Akkord sitzt, und obendrauf tobt eine Stimme, die jeden David Coverdale-Fan mit der Zunge schnalzen lässt.
Auch der Rest des Albums lässt in punkto Technik und Sound kaum Wünsche offen. Hier sind einfach Musiker zugange, die ihr Handwerk verstehen. Was für Nerds ein gefundenes Fressen darstellt, stiftet bei Normalverbrauchern bisweilen aber auch reichlich Verwirrung.
So kommt es immer wieder zu ausufernden Jam-Einlagen. Kaum ist man als Hörer in einem Song drin, verabschieden sich die drei Ausnahmemusiker ohne Ansage in Welten, in denen Nachvollziehbares nur müde belächelt wird. Dann hibbelt Sheehans Bass hinter einem ICE her, während Richie Kotzen seinen Gitarrenhals zur Spielwiese für nicht nachvollziehbare Fingerspielereien erklärt. Und was macht Mike Portnoy? Der lässt sich natürlich nicht lumpen und verwandelt sein Drumset in ein aus allen Rohren feuerndes Kesselmonster.
Das Schwanzmessen deluxe hat schließlich zur Folge, dass ein Großteil der Songs nahezu spurlos an einem vorbeirauscht. Und wenn dann zwischendurch auch noch der alles zerschmetternde Prog-Rock-Hammer ausgepackt wird ("Hot Streak", "How Long"), nimmt man wabernde Blues- und Jazzstückeleien à la "Think It Over" und "The Lamb" fast schon als wohltuend wahr. Das kann es doch nicht sein. Oder doch? Ich bin jedenfalls verwirrt und weiß gerade nicht genau wohin mit meinem Daumen. Passiert mir auch nicht so oft.
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