laut.de-Kritik

Sprengstoff-Texte in Reggae aus der Dritten Welt.

Review von

Harter Tobak versteckt sich zuweilen in ganz und gar harmlosem Gewand. Tiken Jah Fakoly, neben Alpha Blondy wohl die bekannteste Stimme der Elfenbeinküste, veröffentlicht mit "The African" mittlerweile das dritte Album aus dem Exil. In seiner Heimat an Leib und Leben bedroht, weilt der Protestsänger inzwischen in Mali. Anders als die beiden Vorgänger wurde dieser Longplayer nicht in Jamaikas legendären Tuff Gong Studio, sondern in Bamako, London und Paris produziert.

Seine musikalischen Mitstreiter rekrutiert sich Tiken Jah Fakoly neben der Elfenbeinküste aus Benin, von den Westindischen und Kapverdischen Inseln sowie in Frankreich. Es geht international zu. Das Klangbild ändert sich dennoch kaum: "The African" wartet mit klassischem Roots-Reggae auf. Gestützt auf satte Bass-Grooves verleihen Bläser- und Drum-Sounds den in flockig-karibischer Manier dahin klimpernden und doch stets von leiser Schwermut durchzogenen Tunes satte Opulenz.

Kunstvoll gezupfte Gitarren runden das Bild ab. Gut gelaunte Background-Gesänge bilden einen reizvollen Gegenpart zu der harschen Stimme des Leadsängers, ein echtes Unikat. Aber nein, der Sprengstoff dieses Albums steckt keinesfalls in seiner überaus eingängigen, hin und wieder mit unverkennbar afrikanischen Elementen aufgepeppten musikalischen Ausgestaltung. Seine Brisanz bezieht "The African" zweifellos aus seinen Texten.

Tiken Jah Fakoly nimmt kein Blatt vor den Mund und prangert herrschende Zustände in derart einfachen, klaren Worten an, dass auch der Letzte verstehen muss, worum es ihm geht. Wenn wie hier Tacheles geredet wird, sind Fehlinterpretationen ausgeschlossen. Ein Titel wie "Non A L'Excision" gestattet keine Missverständnisse, sondern bezieht in bluesgeladener, gebetsmühlenartig wiederholter Unerbittlichkeit ebenso eindeutig Stellung gegen die immer noch gängige Beschneidungspraxis, wie sich "Ayebada" gegen Zwangsverheiratungen wendet.

An einer in Richtung Europa geschleuderten Forderung "Ouvrez Les Frontières" gibt es nicht zu deuteln. Wütend und doch sachlich fordert Tiken Jah Fakoly auf Französisch gleiches Recht für alle: "Wir wollen ebenfalls die Möglichkeit zu studieren, zu sehen, wie sich unsere Träume verwirklichen, wir wollen einen guten Beruf, möchten reisen, kennenlernen, was ihr Freiheit nennt. Wir wollen, dass es unseren Familien an nichts fehlt, wir wollen ein Leben, in dem man so viel essen kann, wie man Hunger hat. Wir wollen dieses tägliche Elend hinter uns lassen, für etwas Besseres."

Tiken Jah Fakoly zweifelt offen an Versprechungen von Politikern aller Couleur und bezweifelt in "Soldier" zudem Sinn und Zweck eines Eingreifens ausländischer Militärs. Zu filigranen Saitenspielereien erfreut ein näselnder Akon mit einem Gastauftritt, der ausnahmsweise einmal nicht klingt, als hätte man seinen immer gleichen, scheinbar bereits in zig anderen Tracks verwursteten Part ausgeschnitten und eingeklebt.

"Viens Voir" wendet sich gegen einseitige Berichterstattung und das Um-Sich-Werfen mit aufgeschnapptem Halbwissen. "Où Aller Où?" wirft die Frage auf: Wohin gehen, wenn man denn könnte? Ein Dasein als "Africain A Paris", einer französischen Interpretation von Stings "Englishman In New York", scheint schließlich auch nicht erstrebenswert.

Das Bild, das Tiken Jah Fakoly von seiner Heimat und seinem Kontinent zeichnet, spiegelt Zerrissenheit, die sich auch im abschließenden, versöhnlicheren "Ma Côte D'Ivoire" wiederfindet. "Es muss jemand geben, der die Dinge beim Namen nennt." Seinem eigenen Anspruch dürfte "The African" problemlos gerecht geworden sein.

Trackliste

  1. 1. L'Africain
  2. 2. Ouvrez Les Frontièrs
  3. 3. Où Aller Où?
  4. 4. Africain A Paris
  5. 5. Ayebada
  6. 6. Soldier feat. Akon
  7. 7. Non A L'Excision
  8. 8. Foly
  9. 9. Viens Voir
  10. 10. Promesses Bla Bla
  11. 11. Gauche Droite
  12. 12. Ma Côte D'Ivoire

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