laut.de-Kritik
Raps gut, Stimme gut, Delivery gut: Lobenswert.
Review von Thomas HaasKassels feinster und vermutlich auch einziger Tim Taylor sollte eigentlich kein Unbekannter mehr sein. Seit mittlerweile zehn Jahren bewegt er sich schon im Spiel und hält die Fahne für seine Heimatstadt hoch. Doch so recht startete der Student bildender Künste bisher nicht durch. Mit einem neuen Album liefert er dafür jetzt möglicherweise "ein[en] anderer[n] Grund".
Der Start ins Album fällt noch einigermaßen kämpferisch aus, was bestimmt auch an Taylors rauer Stimme liegt. Begleitet von Cuts und Scratches rückt er im "Intro" die Verhältnisse zurecht, bevor er "Von Hier Unten" von den Schwierigkeiten in seinem Leben berichtet, die ihn aber keineswegs umwerfen.
"Nach Denken Über Legen" zeigt, was ihn vom Rest der Masse abhebt: "Der Unterschied" besteht darin, nicht alles hinzunehmen, sondern alles zu hinterfragen. Sogar zu viel, denn genau das hält ihn davon ab, seinen inneren Frieden zu finden: interessante Theorie.
Einen "Appell" richtet Tim Taylor an die gesamte Menschheit. Seine Feststellung lautet: "Vieles läuft falsch", Er konkretisiert zwar nichts so wirklich, der Hauptgedanke, dass Egoismus allgegenwärtig ist und wenn doch nur alle an einem Strang ziehen würden ..., der kommt aber beim Hörer an.
Als "Alles Andere Als Arm" beschreibt er sich selbst. Damit meint Tim Taylor zwar keineswegs materiellen Besitz, sondern vielmehr seine inneren Reichtümer. Von einem wirklich schönen Piano-Loop getragen findet das Album hier seinen Höhepunkt.
Tim Taylor kann jedoch auch anders. An der Seite von Lakmann One representet er beispielsweise seine Heimatstadt oder flext neben S.i.C. auf dem "Holzfällersong" komplett ab. Als ganz spezielles Schmankerl liegt zu "Der Gärtner" ein kleines Buch bei, in dem er wortwörtlich schöne Bilder zum Titel zeichnet.
Die Überzeugung, dass das Leben aus mehr als Geld ("Geld") und Macht ("Affensong") bestehen müsse, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Album. Taylors Problem besteht aber darin, dass er oft ins Unbedeutende abschweift und man schnell die Aufmerksamkeit verliert. Das typische Untergrund-Rapper-Syndrom: Raps gut, Stimme gut, Delivery gut, Beats okay. Cut, neues Eminem-Album, und zack, vegetiert "Ein Anderer Grund" wieder in den Tiefen der iTunes-Bibliothek herum.
Diesen ganz bestimmten Wiedererkennungswert hat Tim Taylor trotz seiner markanten Stimme eben nicht. Ob er sich mit diesem Album aus der Spirale der ewig fortwährenden Unbedeutsamkeit heraus bewegt, sei deshalb einmal dahin gestellt. "Auch wenn es Grund zur Kritik gibt / will ich nicht dissen, sondern euch euch wissen lassen / dass es eine Ehre ist, einer von euch zu sein / die Dichter der Neuzeit / Ich freue mich, meinen Teil hier beitragen zu können und zu reimen." Eine durchaus beeindruckende und lobenswerte Einstellung.
1 Kommentar
Schön, dass Tim unter die Lupe genommen wird. Ich finde die Kritik "Taylors Problem besteht aber darin, dass er oft ins Unbedeutende abschweift und man schnell die Aufmerksamkeit verliert." äusserst unangebracht. Ich würde erstens einmal nicht behaupten, dass Tim ein Problem mit seiner Bekanntheit hat. Zweitens wer entscheidet denn, was bedeutend ist? Könnte man an dieser Stelle nicht eher die Gesellschaft kritisieren, dass sich diese (sofern sie ganzheitlich betrachtet werden kann) ständig mit Einfältigerem, Oberflächlicherem und Innovativerem unterhalten muss, da sie keine Zeit, Kapazität oder Möglichkeiten hat, sich mit den grundlegendsten Gedanken und Gefühlen auseinander zu setzen und dankbar zu sein?
Ich finde es auch traurig, wenn Künstler nach ihrem "Wiedererkennungswert" beurteilt werden. Das hat meiner Meinung nach überhaupt keine Aussagekraft. Ich wähle ja auch keine Partei, nur weil ich sie wiedererkenne, sondern ich höre mir an, was sie zu sagen hat. Mir gefallen halt eher Lieder, die mich einerseits vielleicht musikalisch ansprechen (aber wem es bei Las Ketchup im Hintern gezwickt hat, ist jetzt mal besser still und denkt über den Wiedererkennungswert nach... aber andererseits vor allem inhaltlich ansprechen. Und diesbezüglich finde ich, ist Tim ganz oben mit dabei.