laut.de-Kritik

Puristische Songs ohne Hitpotenzial.

Review von

Vier Studioalben, einer Best Of, einem Live Album und einem Soundtrack folgt das fünfte Album "Where Do You Go To Disappear" als Fortsetzung und Neubeginn zugleich für die dänische Singer/Songwriterin Tina Dico. Entstanden ist das Werk mit ihrem musikalischen Komplizen Helgi Jonsson in ihrer neuen Wahlheimat Island. "Als ich hierher kam, fürchtete ich mich ein bisschen vor den Auswirkungen von Island auf meine Musik", erzählt Tina in einem Interview. Zurecht, denn viele Tracks auf dem Longplayer erinnern wirklich ein bisschen an die traditionellen Klänge der Insel.

Ein typisches Tina Dico Storytelling-Folk-Album ist es nämlich nicht geworden, eher eine Art Moon Safari. Das Label Grammophone beschreibt es komischerweise als mehrdimensional. Darüber lässt sich Gott sei Dank streiten, denn genau das ist es, was dem Album vielleicht zum nötigen Erfolg fehlen wird.

"We're All Experts" als Opener festzulegen, war allerdings eine gute Entscheidung. Einer der wenigen Songs, die im Ohr bleiben und Lust auf mehr machen. Mit Hilfe einer einprägsamen Melodie, unterstrichen von Klavier und Drums, besingt uns Tina über das Leben, dass man sich nicht vom richtigen Weg abbringen lassen darf und dass das mit Freunden und dem richtigen Ego auch gelingt.

Was sich Tina Dico dabei gedacht hat "Moon To Let" als Singleauskopplung auszusuchen, bleibt dagegen ein absolutes Rätsel. Ein durchgängig monotones, mit Wohlwollen puristisches Stück, das vom Unheil der Welt und der anschließenden Flucht auf den Mond erzählt: "Pack your bag let's go, won't let any of the bad people know".

Mit "Point Of No Return" geht es in die zweite Runde der Eintönigkeit. Streichern und Gitarre sollen eine gewisse Dramatik darstellen. Praktisch funktioniert das aber leider nicht, obwohl die Story hinter diesem Song einiges hergibt: Das Problem, von jemandem oder etwas so eingenommen zu sein, dass man nicht mehr davon loskommt und immer wieder zurückkehrt, obwohl es das Herz innerlich zerfrisst.

Tina Dico zeigt auf diesem Album aber durchaus, dass es auch anders geht: "The Time Of Our Lives" und "You Wanna Teach Me To Dance" bringen endlich ein bisschen Schwung in die Schlafliederlandschaft. Songs über das blühende Leben, eine Hommage an die Zeit der Leichtigkeit von 17-29 und eine Frau, die das Tanzen lernen will, um mehr über Musik zu erfahren. Poppige Nummern, die eine Chance haben, im Gehör zu bleiben.

Auch "The Tip Of The Iceberg" kann was. Eine starke, authentische Ballade, die Wert darauf legt, ohne großen Schnick Schnack eine Nachricht zu übermitteln: Eine Beziehung zwischen zwei Liebenden wird hier mit einem Eisberg verglichen. An der Oberfläche schwimmt alles Gute, doch der Schmerz und die Trauer, wovon man jetzt noch nichts weiß, versteckt sich unter Wasser. Trotzdem soll man glücklich und furchtlos lieben.

Hinter "The Other Side" verbirgt sich musikalisch zwar wieder nichts außergewöhnlich Gutes, dafür aber eine eindringliche Lehre: In einem Traum steht Tina vor einer geschlossenen Türe und will aus ihrem Leben auf die andere Seite flüchten. Als sie die Tür öffnet findet sie dahinter jedoch nur eine leere Halle und kommt zu dem Entschluss, dass man dankbar sein sollte, für das was man hat: "If the dream is right and if I'm thinking clear, I guess I should be thankful to have woken up right here". Ein süßer Track mit Tiefgründigkeit, der allerdings mehr eine Geschichte ist als ein richtiger Song.

"Where Do You Go To Diasappear" ist ein Auf und Ab unnützer und brauchbarer Lieder, von denen jedoch keiner Hitpotenzial besitzt. Doch für einen netten Sonntag Nachmittag in der Sonne lässt sich diese Platte allemal gebrauchen. Oder vielleicht, wenn man dem Tag entfliehen möchte und sich mit diesem Album einen Platz "to disappear" sucht.

Trackliste

  1. 1. We're All Experts
  2. 2. Moon To Let
  3. 3. The World Is Perfect
  4. 4. Point Of No Return
  5. 5. The Time Of Our Lives
  6. 6. True North
  7. 7. The Tip Of The Iceberg
  8. 8. You Wanna Teach Me To Dance
  9. 9. Sunrise
  10. 10. The Other Side
  11. 11. Where Do You Go To Disappear
  12. 12. You Leave You Learn

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