laut.de-Kritik
Lässt Beine in die uncoolsten Tanzschritte ausbrechen.
Review von Kathrin FinkEine Frau, eine Stimme - Tina Turner. Als 16-jährige junge Frau stieg sie in einen Bus, der sie vom ländlichen Nutbush, Tennesse in die Metropole St. Louis brachte. Sie lernte das Arschloch Ike Turner kennen, heiratete ihn, ließ sich wieder scheiden und steht heute immer noch da, wo sie eindeutig hingehört - auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
Ein voll-umfängliches Bild ihres Schaffens bietet nun die hier vorliegende Best Of. "Nutbush City Limits" verspricht gleich zu Anfang eine gehörige Portion Sixties Feeling. Damals noch unter dem Namen Ike & Tina Turner bekannt, raunt und schreit sie sich durch ihren ersten selbst geschriebenen Mega-Hit. Disc One enthält weitere Smasher wie "The Best", "When The Heartache Is Over", "I Can't Stand The Rain" und das genial-grandiose "Golden Eye". Ein Intro, bei dem vom Kleinkind bis zur alten Omi jeder gleich 007 um die Ecke spähen sieht. Einmal gehört - nie mehr vergessen. So sollten Filmmelodien klingen.
Neben dem simplen Urururhit "Proud Mary" serviert Tina uns abschließend eine Live-Version von "Addicted To Love". Wer Tina Turner einmal live gesehen hat, weiß, warum diese Frau mit über sechzig Jahren auf dem Buckel noch da oben steht. Sie kann nicht anders, sie will nicht anders, die Bühne ist ihr Zuhause und das hört man dem Song überaus deutlich an.
Disc Two: Ein dahin gehauchtes "In Your Wildest Dreams" wird von dem auf ewig im Gehörgang festklebenden "Private Dancer" abgelöst, bevor nach zwei weiteren Stücken die Kollaborationen-Periode beginnt. Ja, ja die Tina hat schon mit allem, was Rang und Namen hat, das Mikro geteilt. Man schlägt ja auch keine Einladung der Queen Of Rock aus. Veteranen des Geschäfts wie Mick Jagger und David Bowie wissen das schon lange, und deshalb hat letzterer auch für "Tonight" seine Songwriter-Qualitäten beigesteuert. Nicht gerade seine beste Komposition, aber Tinas einzigartige, unvergleichliche Hammer-Stimme versprüht ein angenehm relaxtes Flair.
"We Don't Need Another Hero" - Hymne - keine Frage. Gleich danach dringen bei "It's Only Love" rockige Gitarrenriffe ans Ohr. Das kann doch nur Bryan Adams sein ... ist es auch. Der King des 'straight den Highway runter'-Rock wird seinem Image mehr als gerecht und schenkt der Frau Turner ein tanzbares, Openair-taugliches Stückchen Musik. Eros Ramazotti meets Tina Turner heißt es im Anschluss mit "Cose Della Vita". Dank südlicher Atmosphäre und sonnig-fröhlicher Melodie ein Muss für alle Italien-Fans. Bluesig, rau, mit Fuß-wipp Rhythmus erscheint dann noch einmal die Rockröhre - "Steamy Windows" heißt das Stück, eine ihrer besten Darbietungen. Fast am Schluss angelangt, muss natürlich das soulige "What's Love Got To Do With It" auch noch aus den Boxen tönen. Ein wohl ziemlich autobiographischer Song, der ihr unter anderem zu ihrem unerwarteten Durchbruch Anfang der Achtziger verhalf.
Auch wenn es viele nicht gern zugeben, Tina Turner lässt uns allen einen Anflug von Nostalgie um die Ohren wehen. Die Songs erinnern an längst Vergessenes, lassen Augen glänzen und Beine in die uncoolsten Tanzschritte ausbrechen. Irgendwie schweben die Lieder immer und überall in der Luft. Ob in der Kneipe um die Ecke oder im überfüllten Flughafen-Wartesaal, man kommt um die Tina einfach nicht herum. Also gar keine großen Anstrengungen tätigen - Einkaufstaschen auf - "All The Best" rein - und ausdrücklich genießen.
1 Kommentar
Ich glaube jetzt wäre es spätestens an der Zeit für einen Meilenstein für Tina Turner nicht nur wegen der traurigen Nachricht.