laut.de-Kritik

Eine unwiderstehlich morbide Anziehungskraft.

Review von

"After changes upon changes we are more or less the same", dichtete Paul Simon in einer Zusatzstrophe zu "The Boxer". Eine Aussage, deren Gültigkeit im Allgemeinen immer wieder festzustellen ist und die sicherlich auch auf musikalisch Wirkende zutrifft, die ihren Output nicht so sehr als Broterwerb, sondern eher als Kunst betrachten. Form, Aussage und Inhalt ändern sich nur äußerlich, der Kern bleibt im Großen und Ganzen derselbe.

Das gilt in besonderer Weise für die Tindersticks, die uns seit 1993 gelegentlich mit einem neuen Album bedrücken. Allgemeine Bewunderung, stets positive Kritiken, Solowerke, filmische Experimente, Umzug nach Frankreich – trotz all dieser Änderungen hat sich die Musik von Stuart Staples und seinen Gefährten kaum verändert.

Fünf Jahre sind seit "Waiting For The Moon" (2003) vergangen, doch das Klanggerüst der Band ist nach wie vor so eigen, dass der Opener ohne die Stimme seines Frontmannes auskommt. "Introduction" beginnt mit einzelnen Klaviernoten, zu denen sich zunächst nur Bass und Orgel gesellen. Die Tindersticks haben es nach wie vor nicht nötig, auf komplizierte Instrumentierungen zu setzen. Auch mit minimalistischen Mitteln gelingt es ihnen, eine unverwechselbare melancholische Stimmung zu erzeugen.

In "Yesterdays Tommorows" kommt Staples' tiefe, nasale, vibrierende und leicht angestrengte Stimme schließlich zum Einsatz. "All jene Tage, wohin sind sie gegangen? Sie sind uns nach Hause gefolgt und betrachten uns durchs Fenster. Sind sie tatsächlich hier? Hoffen wir, dass sie hier sind", dichtet er mit jenem philosophischen Ansatz, der seine Texte prägt.

Von dem einstigen Sextett ist nur noch ein Trio übrig geblieben, neben Staples Gitarrist Neil Fraser und Organist David Boulter, die sich von einer ganzen Reihe weiterer Musikern begleiten lassen. Boulter ist es wohl zu verdanken, dass das Album auch lichtere Momente besitzt, etwa die Instrumentalen "The Organist Entertains" und vor allem "E-Type", das mit seinen Bläsern und 70er Jahre-Groove fast hollywoodesk klingt.

Die prägenden Momente liefert jedoch Staples, darunter das depressive "Come Feel The Sun", begleitet von einem Klavier und einem Cello, oder "The Other Side Of The World", das mit einem unüblich wirbelnden Streichorchester aufwartet. Selbst scheinbar fröhlichere Momente wie "The Flicker Of A Little Girl" oder der Titeltrack verlieren ihre Leichtigkeit angesichts von Texten wie: "Der erste Schnitt gilt der Haut, der zweite dem Muskel. Dann folgt das Knacken des Knochens und er hat dein Herz erreicht" (der Teufel in "The Hungry Saw").

Somit schwebt die Musik der Tindersticks nach wie vor in einem Raum zwischen Trostlosigkeit und Hoffnung, zwischen Anspruch und schon fast Easy Listening. Ein ganz eigener Stil, den die Band aus Nottingham seit fünfzehn Jahren pflegt, ohne sich zu wiederholen. Und der nach wie vor eine unwiderstehliche, morbide Anziehungskraft besitzt.

Trackliste

  1. 1. Introduction
  2. 2. Yesterdays Tomorrows
  3. 3. The Flicker Of A Little Girl
  4. 4. Come Feel The Sun
  5. 5. E-Type
  6. 6. The Other Side Of The World
  7. 7. The Organist Entertains
  8. 8. The Hungry Saw
  9. 9. Mother Dear
  10. 10. Boobar Come Back To Me
  11. 11. All The Love
  12. 12. The Turns We Took

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Tindersticks – The Hungry Saw €11,95 €3,00 €14,95

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Tindersticks

Es gibt wohl keine britische Band, die dermaßen versnobt auf die Bühnen der Welt tritt wie die Tindersticks. Im Gegensatz zu den meisten Kollegen versuchen …

4 Kommentare