laut.de-Kritik

Schwelgerisches Albumdebüt des britischen Shootingstars.

Review von

Mit gerade einmal 22 Jahren veröffentlicht der Südlondoner Tom Misch sein Debütalbum "Geography". Ohnehin ein musikalisches Multitalent vereinen sich in seinem Sound Einflüsse aus Jazz, Soul, Hip Hop und Electronica. Heraus kommt ein vordergründig ruhiges, träumerisches Hörerlebnis, das sich an der Grenze zum Easy Listening entlang hangelt.

Das ist aber keineswegs als Beleidigung zu verstehen, speziell im Hinblick auf die wärmeren Monate trifft "Geography" mit seiner zurückgenommenen Gangart ins Schwarze. In bewährter Beatmaker-Tradition holt sich Misch außerdem den ein oder anderen Featuregast an Bord. Für relaxte Rap-Parts bürgen etwa Kumpel Loyle Carner und die großen Namen von De La Soul, Poppy Ajudha haucht dem groovigen "Disco Yes" Soul ein.

Die Konstante ist dabei schnell ausgemacht: Misch studierte Jazzgitarre, die als Trademark immer wieder hervor sticht, mit ihren sanften Tupfern aber nie aufdringlich wirkt und die Basis liefert, um die der Brite Beats, Synthesizer, Bläser und Klavierspuren versammelt.

Misch bricht dabei mit gängigen Beatbastler-Konventionen und stemmt selbst den Großteil der Lyrics, was ihm dank ansprechender Sangesleistungen spielend gelingt. Seine Ode an die Südlondoner Heimat "South Of The River" etwa wirkt wie ein vertonter Tagtraum. Der Fokus liegt auf Wohlfühloase und Positivität, diese Musik hat definitiv nicht den Anspruch, tiefer zu graben als bis zur Ebene zwischenmenschlicher Beziehungen.

"You're On My Mind" untermauert diesen Eindruck mit souligen Chören. Wenn Tom Misch sagt, er mache tendenziell eher fröhliche als traurige Musik, ist das jedenfalls noch stark untertrieben. Egal, wie trivial die First World Problems aber auch sein mögen, die bedachte Instrumentierung reißt in den meisten Fällen trotzdem mit: Mit schlimmeren Traumata als dem Uber, das einen im Regen stehen lässt ("Water Baby"), konfrontiert der melancholisch säuselnde Barde den Hörer nicht. Das ist aber auch kein Muss, schon gar nicht bei einem 22-Jährigen, der Musik aus Spaß an der Freude zu machen scheint und nicht, um seinen existenziellen Weltschmerz zu verarbeiten.

Das heimliche Highlight der LP markiert ausgerechnet das Instrumentalstück "Tick Tock", das mit Tempoverschärfungen, traumhaftem Synthesizerbett und abwechslungsreichen Nuancen noch mehr zum Kopfnicken anregt als die restlichen Songs. Immer, wenn so etwas wie Jam-Atmosphäre aufkommt ("Isn't She Lovely"), steigt die Aufmerksamkeit des Hörers. Von strikterem Songwriting geprägte Nummern tendieren hingegen dazu, den Konsumenten eine Spur zu sehr einzulullen. Das ist dann Musik für die Strandbars des nächsten Backpack-Abenteuers, schmälert aber den Wiederhör- und vor allem Wiedererkennungswert.

Trotzdem geht das kaum als valider Kritikpunkt durch, spricht "Geography" sich doch von der ersten Sekunde an frei von gezwungenen Ambitionen. Ein Extralob verdienen die gesanglichen Darbietungen, dank derer Tom Misch sich nicht zu sehr auf Featuregäste verlassen muss. Selbst der Part von De La Soul fällt schließlich eher knapp aus.

Trackliste

  1. 1. Before Paris
  2. 2. Lost In Paris feat. GoldLink
  3. 3. South Of The River
  4. 4. Movie
  5. 5. Tick Tock
  6. 6. It Runs Through Me feat. De La Soul
  7. 7. Isn't She Lovely
  8. 8. Disco Yes feat. Poppy Ajudha
  9. 9. Man Like You
  10. 10. Water Baby feat. Loyle Carner
  11. 11. You're On My Mind
  12. 12. Cos I Love You
  13. 13. We've Come So Far

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