laut.de-Kritik
Ihre Coverversionen sind oft besser als das Original.
Review von Stefan Friedrich"Ich fand es immer schon faszinierend, wie Männer bestimmte Dinge sagen und wie das bei Frauen ankommt" sagte Tori Amos in einem Spiegel-Interview im Sommer. Auf "Strange Little Girls" hat sie sich nun zwölf von Männern geschriebene Stücke vorgenommen und neu interpretiert. Herausgekommen sind keine Coverversionen im eigentlichen Sinn, nein, viele der Stücke gehen viel weiter, wirken wesentlich intensiver, als es die Originale jemals zu tun vermochten.
"'97 Bonnie & Clyde" von Oberbösewicht Eminem wirkt mit Streichern und ohne Beats auf einmal sehr dunkel und bedrohlich und macht einem die Brutalität und Perversion des eigentlichen Stückes mehr als deutlich. Depeche Modes "Enjoy The Silence" wird seines gesamten Bombastes beraubt und gewinnt gerade dadurch an Intensität und Intimität gegenüber dem Original. (Auch wenn mich Depeche Mode-Mastermind Schuh für diese Aussage steinigen wird.) 10cc's Klassiker "I'm Not In Love" kehrt sich dank Toris Interpretation ins Gegenteil. Keine in Watte gepackte, schwebende Ballade - düstere Stimmung macht sich breit, wenn sie schleppend von einer verletzten, zurückgewiesenen Person erzählt. An Ausdrucksstärke kann es kaum eines der Originale mit den Amos'schen Interpretationen aufnehmen.
Gewöhnungsbedürftig ist die Version von Neil Youngs "Heart Of Gold", für die Tori ihren Bösendorfer verlässt und die Gitarre die Oberhand gewinnt. Bewegender wiederum "I Don't Like Mondays", von den Boomtown Rats. Vordergründig einlullend macht sich doch die Ernsthaftigkeit des Songs breit, der von einer Schießerei 1979 an einer Schule in San Diego inspiriert wurde. Kaum wiedererkennbar ist "Happiness Is A Warm Gun", im Original von den Fab Four. Die auf knapp zehn Minuten ausgedehnte Version lässt den Hörer verstört zurück, ohne etwas Greifbares in den Händen. Slayers "Raining Blood" zeigt Tori dann wieder von ihrer stärksten Seite - nur mit Stimme und Klavier bewaffnet, wie auch beim letzten Titel "Real Men" von Joe Jackson.
Mit "Strange Little Girls" sind Tori Amos gleich zwei Dinge auf einmal gelungen. Zum einen ein beachtenswertes Konzeptalbum, dass es in dieser Weise noch nicht gab und welches über weite Strecken mehr als geglückt ist. Zum anderen gehen die meisten Interpretationen wieder mehr zu ihren "Wurzeln" zurück und lassen den schwächeren Vorgänger vergessen, was viele Fans freuen dürfte. Bemerkung am Rande: Interessanter Weise verändert Tori an einigen Stellen die Texte leicht, doch entscheidend: "Words are meaningless and unforgettable."
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