laut.de-Kritik
Das rumpelt, wackelt, seufzt, stöhnt, murmelt und summt.
Review von Alexander CordasEigentlich ist es immer ein bisschen daneben, die erste Platte einer Band mit dem Dahinscheiden einer anderen einzuleiten, aber im Falle der Twinemen bleibt nicht viel übrig. Gerade dann, wenn die Band aus den Überresten von Morphine hervor ging, deren Sänger und Basser Mark Sandmann unter tragischen Umständen gestorben ist. Das Vermächtnis der Combo, die sich traute, nur Schlagzeug, Bass und Saxophon zu verwenden, und auf Gitarren gänzlich verzichtete, wurde durch das Orchestra Morphine weiter getragen. Die Sängerin des Orchestras und die übrig gebliebenen Morphine-Members stellen das Line-Up der Twinemen, und so sollte die Frage nach dem Stil der Band recht schnell beantwortet sein. Ja, eigentlich. Und ja, sollte, denn so einfach ist es nun auch wieder nicht.
Zwar scheint der Schatten von Morphine - auch wegen der fast identischen Instrumentierung - bei den Twinemen-Kompositionen mitzuschwingen, aber dies gerät nie zum frechen Abklatsch oder zum gesichtslosen Kopieren des Konzeptes, das mit Sandman einst so erfolgreich und aufregend war. Die Natürlichkeit der Tracks bleibt über die ganze Distanz erhalten, diese sind um einiges positiver ausgefallen als die von Morphine es je waren. Die Songs erstrahlen in einem seltsam trüben, aber gleichzeitig freundlichen Sonnenlicht.
Wenn Sängerin Laurie sich ans Mikro stellt und ihre Geschichten erzählt, strahlt der Soul in schönen Facetten und wenn dazu das Sax im Hintergrund ganz heftig trötet, wird alles gut. Die Infos erzählen etwas von "psychedelisch schillerndem Jazz-Blues" und tatsächlich rollt und rumpelt der Opener "Sinner" ungezügelt wie ein herrenlos gewordener Eselkarren. Dieses "Geschehenlassen" der Musik lässt den Eindruck entstehen, als hätten die Twinemen nicht lange jammen oder komponieren müssen, bis die Songs zu ihnen kamen.
So zum Beispiel "Golden Hour", das nur auf einem einzigen Rhythmus dahin schlurft, während einer der beiden Herren mit Laurie im Duett säuselt. Das hat was sehr Cooles, dabei geht die Monotonie auch nach fast sechs Minuten noch nicht auf den Geist. Bedüdelt vom Zusammenspiel der Instrumente möchte man einfach weiter im Trott wackeln und mitsummen. Über fünfzig Minuten, in denen nicht ein einziges Mal auch nur das leiseste Bedürfnis aufkommt, die Skip-Taste betätigen zu wollen, verdienen Applaus. Es rumpelt, wackelt, seufzt, stöhnt, murmelt und summt, wenn die Twinemen aufspielen - nicht nur wegen des musikalischen Backgroundes der Mitglieder verdient diese kleine Combo Gehör!
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